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Der neutrale Planet

Der neutrale Planet

Titel: Der neutrale Planet
Autoren: Robert Silverberg
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erstarrte für einen Augenblick, dann begann sie zu gleiten.
    Mit dem Bug voraus stürzte sie in den blutroten Ozean. Harskin kletterte hastig aus der Wiege und in seinen Raumanzug. Wenn wir jetzt nur den Schwimmfaktor richtig berechnet haben…
    Zwei Gestalten in Raumanzügen erwarteten ihn an der Luftschleuse. Er grinste sie an, öffnete die Luke und trat in die Kammer. Die Tür ging auf, eine Wasserwand stürzte ihm entgegen. Er schnellte aus dem sinkenden Schiff und knallte an die Oberfläche wie ein Korken. Einen Augenblick später sah er Mawley und Dominic in der Nähe auftauchen.
    Er drehte sich um. Von der ›Peccable‹ waren nur noch der Heckantrieb und die Enden der einst stolzen Schwingen zu sehen. Ein Ölfleck breitete sich auf dem grellroten Wasser aus. Das Schiff sank schnell, als Wasser sich in die Schleuse ergoß.
    »Da drüben!« entfuhr es Mawley.
    Harskin schaute hin. Etwas, das wie eine kleine Insel mit Hals aussah, näherte sich: ein gigantisches, schildkrötenartiges Ding mit dickem Saurierhals und intelligenzlosem Schädel mit Kamm, an dem sieben oder acht Haken baumelten.
    Und in einer Art Elefantensitz auf dem breiten Brustpanzer hockten drei Gnorphe, die neugierig auf die drei im Wasser schwimmenden Männer in Raumanzügen blickten.
    Der Rettungstrupp war rechtzeitig eingetroffen.
    »Hilfe!« schrie Harskin. »Rettet uns! Oh, ich flehe euch an, rettet uns, und wir werden euch ewig verpflichtet sein! Rettet uns!«
    Er hoffte, daß cler Sprachwandler die Worte in dem richtigen Tonfall von mitleidheischender Verzweiflung wiedergab.
    ›Priorität Eins 03-16-2952 ABS XPF 32
    Exp System Antares an Oberkommando Terra:
    Teilen mit, daß Antares-System auf Seiten Terras. Rigelaner hier haben unseren Vertrag mit Bewohnern der einen Antares-Welt Faf ner bestätigt. Alles wohlauf, keine Verluste, außer Raumschiff ›Peccable‹, das bei Unfall zerstört wurde. Fünfzehn Mitglieder der Besatzung leben in Kuppel auf Begleitwelt Fasolt, drei von uns auf Faf ner. Bitte umgehend Raumschiff zur Abholung entsenden, da wir derzeit in Knechtschaft leben.
    Alles Gute, Liebe und Küsse, etc.
Harskin‹

Sanfte Kannibalen
    Schau mal, Kate, da unten an der Promenade. Zwei prächtige Senioren gehen nebeneinander am Wasser entlang. Sie strahlen Macht, Autorität, Reichtum, Selbstsicherheit aus. Er ist Richter, Senator, Konzernpräsident, ganz ohne Zweifel, und sie ist – was? – sagen wir, Professor für internationales Recht, emeritiert. Da gehen sie zur Plaza, gelassen, lächelnd, den Passanten zunickend. Wie die Sonne in ihren weißen Haaren schimmert! Ich kann den Glanz dieser widergespiegelten Aura kaum ertragen: er blendet mich, er brennt mir in den Augen. Wie alt sind sie, achtzig, neunzig, hundert Jahre alt? Auf diese Entfernung wirken sie viel jünger – sie gehen aufrecht, mit geradem Rücken, sie könnten für fünfzig oder sechzig gelten. Aber ich weiß Bescheid. Ihr Selbstvertrauen, ihre Haltung weisen sie aus als das, was sie sind. Und jetzt, wo sie näherkommen, kann ich ihre runzligen Wangen sehen, ihre eingefallenen Augen. Keine Kosmetik kann das verbergen. Die beiden sind alt genug, um unsere Urgroßeltern zu sein. Sie waren schon weit über sechzig, bevor wir auch nur auf die Welt kamen, Kate. Wie großartig ihre Körper funktionieren! Aber warum auch nicht? Wir können uns ihre medizinische Vorgeschichte vorstellen. Sie hat mindestens drei Herzen gehabt, er ist bei seiner vierten Lunge, alle fünf Jahre beantragen sie neue Nieren, ihre spröden Knochen werden durch Hunderte Skelettsplitter von den Armen und Beinen unglücklicher jüngerer Leute verstärkt, ihr nachlassender Sinnesapparat wird unterstützt durch zahllose Nerventransplantationen, die auf die gleiche Weise beschafft werden, ihre alten Arterien werden mit glattem Teflon frisch umkleidet. Wandelnde Ansammlungen menschlicher Teile aus zweiter Hand, hier und dort gewürzt mit synthetischen oder mechanischen Ersatzorganen, das ist alles, was sie sind. Und was bin dann ich oder bist du? Neunzehn Jahre alt und verwundbar. In ihren Augen bin ich nichts als eine bereitstehende Reserve an gesunden Organen, die nur darauf warten, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Komm her, mein Sohn. Was für ein strammer, junger Mann du doch bist! Hast du eine Niere übrig für mich? Einen Lungenflügel? Ein ausgesuchtes Stück Darm? Zehn Zentimeter Ulnarnerv? Ich brauche ein paar Stücke von dir, mein Junge. Du verweigerst einer hervorragenden, älteren
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