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Der neue Geist von Pao

Der neue Geist von Pao

Titel: Der neue Geist von Pao
Autoren: Jack Vance
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selbst dann nicht, wenn sein Eigentum geraubt und seine Frau geschändet wurde. Krieg vereinbarte sich eben nicht mit dem Charakter der Paonesen, nicht einmal Partisanentaktik.
     

 
6.
     
    Beran, der Medaillon und Sohn des Panarchen Aiello, hatte bisher ein völlig ereignisloses, genau geplantes und eingeteiltes Leben geführt. Sein Spiel war durch eine ganze Gruppe von Gymnastikexperten überwacht und als tägliche »Übung« gekennzeichnet gewesen. Er hatte sich deshalb nicht für Spiele interessiert. Selbständig durfte er nie etwas unternehmen, jeder Handstrich wurde für ihn getan, jedes Hindernis wurde ihm aus dem Weg geräumt, jeder Gefahr wurde er ferngehalten. Was Freude über etwas Selbstgeleistetes, über ein aufregendes Abenteuer war, wußte er nicht.
    Er saß auf Palafoxs Rücken, als dieser durch das Fenster in die Nacht hinaustrat. Sein Herz verkrampfte sich, er erlebte einen Alptraum. Eine plötzliche Schwerlosigkeit – sie fielen! Sein Magen drehte sich um. Er schrie vor Angst.
    »Sei still!« mahnte ihn Palafox.
    Beran blinzelte verstört. Ein beleuchtetes Fenster schwebte an ihm vorbei, verlor sich in der Tiefe. Sie fielen gar nicht, sie stiegen aufwärts! Sie hatten den Turm bereits unter sich zurückgelassen und kamen dem glitzernden Sternenhimmel immer näher.
    Beran kniff sich in den Arm. Nein, er träumte nicht. Es war die Zauberei des Breakness-Hexers, der sie fliegen ließ. Seine Angst schwand. »Wohin bringen Sie mich?« fragte er Palafox.
    »Zu meinem Schiff.«
    Ein dunkler Schatten löschte die Sterne aus. Palafox hielt darauf zu. Er schob Beran in eine sich auf einen Knopfdruck öffnende Luftschleuse und hindurch ins Innere. Das Schiff begann zu summen und setzte sich in Bewegung.
    »Wo-wohin fliegen wir jetzt?« stammelte Beran.
    »Nach Breakness.«
    »Aber warum muß ich mit?«
    »Weil du jetzt Panarch bist. Wenn ich dich auf Pao zurückgelassen hätte, würde Bustamonte dich töten.«
    Beran wußte, das das stimmte.
    »Wie alt bist du, Junge?« fragte Palafox.
    »Neun Jahre.«
    Der Dominie rieb sich das schmale Kinn. »Es ist wohl am besten, du erfährst gleich, was dich erwartet. Du wirst auf Breakness aufwachsen und im Institut erzogen werden und die beste Ausbildung genießen, die einem Jungen nur zuteil werden kann. Du wirst mein Mündel sein, bis die Zeit kommt, da du mir wie einer meiner eigenen Söhne dienen kannst.«
    »Sind Ihre Söhne in meinem Alter?« fragte Beran hoffnungsvoll.
    »Ich habe viele Söhne«, erklärte Palafox mit grimmigem Stolz. »Hunderte!« Als er Berans Verwirrung bemerkte, lachte er humorlos. »Es gibt viel, das du noch nicht verstehst ... Weshalb starrst du mich so an?«
    Beran errötete verlegen. »Wenn Sie so viele Kinder haben, müssen Sie alt sein, viel älter als Sie aussehen.«
    Palafoxs Augen funkelten frostig, seine Stimme war eisig. »Ich bin nicht alt. Erlaube dir nie wieder eine solche Bemerkung. Es ist unverzeihbar, dergleichen zu einem Dominie zu sagen!«
    »Es – es tut mir leid.« Beran zitterte am ganzen Leib. »Ich dachte ...«
    »Ist schon gut. Komm, du bist müde, du wirst jetzt schlafen.«
     
    Beran erwachte und wunderte sich, daß er nicht in seinem rosa und schwarzen Bett lag. Da erinnerte er sich. Aufregung erfüllte ihn. Die Zukunft versprach interessant zu werden. Und wenn er erst nach Pao zurückkehrte, würde er alle sorgsam gehüteten Geheimnisse von Breakness kennen.
    Er sprang von seiner Koje und frühstückte mit Palafox, der offensichtlich bester Stimmung war. Das gab Beran den Mut, ihn zu fragen: »Sind Sie wirklich ein Hexer?«
    »Ich kann keine Wunder vollbringen«, erwiderte Palafox, »außer vielleicht mit meinem Verstand.«
    »Aber Sie können in der Luft schweben und fliegen! Und Feuer aus Ihrem Finger schießen!«
    »Das kann jeder andere Breakness-Dominie ebenfalls. Es ist das Ergebnis körperlicher Modifikation.«
    »Unsere Mamaronen sind auch modifiziert«, murmelte Beran zweifelnd, »aber ...«
    Palafox fletschte die Zähne wie ein Wolf. »Das dürfte wohl der unpassendste Vergleich überhaupt sein. Können Neutraloiden fliegen?«
    »Nein.«
    »Wir sind keine Neutraloiden«, sagte Palafox kurz. »Unsere Modifikationen nehmen uns nichts, sondern geben uns im Gegenteil neue Möglichkeiten. Ein Antigravnetz ist in die Haut meiner Füße geflochten. Radar in meiner linken Hand, meinem Nacken, und in meiner Stirn verleiht mir einen sechsten Sinn. Ich kann drei Farben innerhalb der Rot- und vier über der
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