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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling
Autoren: Robert Silverberg
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Position des Chronisten keinem Beng überantworten wollte, und kein Mensch hätte je daran gedacht, sie könnte jemals einem Kandidaten aus einer derart lächerlich-unbedeutenden Stammesgruppe wie jener der Stadrains zufallen. Aber was Plor Killivash hier und jetzt anging, konnten die den Job haben, alle und jeder. Soll doch sonstwer Chef-Chronist werden nach Hresh!
    So waren jetzt die Gefühle in Plor Killivash. Soll doch ein andrer die Verantwortung übernehmen für die jahrtausendedicken Anhäufungen von Schutt, durch den es sich zu graben galt.
    Einst war auch er (wie Hresh früher) von einer nahezu leidenschaftlichen unkontrollierbaren Sucht beherrscht gewesen, einzudringen in den geheimnisvollen gewaltigen Sockel, auf dem sich die Erd-Geschichte türmte und an dessen Spitze diese neu-geborene Zivilisationsleistung des VOLKES klebte wie ein erbsengroßer Krümel über dem Scheitelpunkt einer Pyramide… Es hatte ihn heftig danach verlangt, sich tief in die Bereiche der eisigen Unfruchtbarkeit jenseits der Zeitspanne des Langen Winters hinabzugraben – bis zu den Wunderüppigkeiten der Großen Welt. Oder viel mehr noch – denn warum sich Grenzen setzen – wozu überhaupt Beschränkung? – warum nicht vordringen, hinabdringen in die allertiefsten Schichten der Menschheitsgeschichte, jene völlig unbekannten Reiche der nahezu ‚unendlich’ fernen Frühära der Menschen, die auf der Erde herrschten, noch ehe die Große Welt entstanden war. Es mußte doch menschliche Ruinen und Relikte geben, tief dort unten, unter dem Schutt der Zivilisationen, die sie überlagert hatten.
    Das alles war ihm als wundervoll-verführerisch erschienen. Milliarden Leben mitzuleben, nachzuleben, die sich im Verlauf von Millionen von Jahren ereignet hatten… Auf der Alten Erde zu stehen und zu fühlen, daß ‚man’ schon vorhanden war, als sie der Schnittpunkt der Sternenbahnen war… Sich das Gehirn überschwemmen lassen von fremdartigen Bildern, unvertrauten Sprachen, dem Denken fremdartiger Bewußtheiten, die von unaussprechlich hoher Geistesschärfe waren… Aufzusaugen und zu umgreifen, zu verstehen, was immer sich auf diesem großartigen Planeten jemals ereignet hatte, der so unendlich vieles im Lauf seiner Umdrehungen und seiner langen Lebensspanne erfahren hatte… Schicht auf Schicht getürmt bis tief hinunter in die Frühdämmerung der Geschichte.
    Doch damals war Plor Killivash ein Knabe, und es waren die Gedanken eines Knaben gewesen, von praktischen Erwägungen unbehindert. Nun war er zwanzig und wußte genau, wie schwierig es war, die verlorengegangene, verschüttete Vergangenheit wieder zum Leben zu erwecken. Unter dem harten Druck der Realität entglitt ihm mehr und mehr von seiner feurigen Lust an der Entdeckung uralter Geheimnisse, ebenso wie man es auch bei Hresh mit jedem Jahr deutlicher wahrnehmen konnte. Hresh allerdings hatten wundersame Maschinen aus der Großwelt zur Verfügung gestanden, die nun nicht mehr einsetzbar waren, von denen er seine Visionen der Welten vor dieser jetzigen Welt bezogen hatte. Aber einem Chronisten, dem die Vorzüge solcher Wundermaschinen nicht zugänglich waren, mußte seine Arbeit mehr und mehr als bloße trübselig-mühsame Plackerei erscheinen, die viele Enttäuschungen brachte und kärglich geringen Ertrag.
    Düstre Gedanken an einem düstren Tag. Und in gedrückter Stimmung schickte sich Plor Killivash an, das Artefakt aus dem Meer aufzuschneiden.
    Die schlanke Gestalt der Chupitain Stuld erschien im Türrahmen. Sie lächelte, die dunkelvioletten Augen blitzten fröhlich.
    »Bohrst du immer noch? Ich dachte, du bist längst drin in dem Ding.«
    »Nur noch ein Stückchen. Bleib doch und warte auf die große Enthüllung.«
    Er bemühte sich um einen leichten Ton. Es ging nicht an, sie seine Bedrückung merken zu lassen.
    Sie hatte selbst Frustrationen zur Genüge, wie er wußte. Auch sie kam sich inmitten der angehäuften Fragmente zerbröselnder ausgewaschener Vergangenheit, die das Haus des Wissens barg, mehr und mehr verloren vor.
    Er streifte sie mit einem Blick und fragte: »Was war mit den Relikten, mit denen du herumgespielt hast? Das Zeug, das diese Bauern in der Senufit-Schlucht gefunden haben.«
    Sie lachte ohne Fröhlichkeit. »Der Kasten voller Schrott? Nichts außer Sand und Rost.«
    »Ah? Und ich dachte schon, du sagtest, es stammt aus einer Prägroßweltschicht von sieben, acht Millionen Jahren?«
    »Dann ist es eben sieben, acht Millionen Jahre alter Sand und
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