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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling
Autoren: Robert Silverberg
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Bächlein in den stagnierenden algenversumpften See ergoß, kauerte eine Kreatur von der Größe eines halbwüchsigen Kindes und fischte mit seinen breiten Händen vom Ufer aus. Sein purpurfarbener Körper war schlank, und vom Hals zog sich eine steife gelbe Haarmähne das Rückgrat hinab. Sipirod bedeutete den Männern mit einer Kopfbewegung, sie sollten still sein, und schlich sich lautlos an. Im letzten Augenblick blickte sich das völlig überraschte Caviandi um. Es stieß einen leisen Seufzer aus und duckte sich wie gelähmt an Ort und Stelle zu Boden.
    Dann richtete es sich auf den Hinterläufen auf und hob die Vorderhände zu einer Art Geste der Unterwerfung. Die Arme waren dick und kurz, und die ausgestreckten Finger sahen nicht sehr anders aus als die der Jäger. Die Augen schimmerten violett und blickten unerwartet intelligent.
    Keiner bewegte sich.
    Nach einer langen Pause machte das Caviandi plötzlich einen Satz und versuchte zu fliehen. Dabei beging es jedoch den Fehler, in den Wald hinter ihm entkommen zu wollen, anstatt zum See hin, und Sipirod war zu schnell. Sie stürzte schlitternd und springend über den schwammigen Boden und hinterließ eine tiefe Spur. Sie packte das Tier an der Gurgel und an der Leibesmitte und schwang es in die Höhe. Das Caviandi quiekte vor Angst und strampelte, bis Vyrom kam und es in einen Sack stopfte. Kaldo Tikret verschnürte diesen.
    »Das war Nummer eins«, sagte Sipirod mit Befriedigung. »Ein Weibchen.«
    »Du bleibst da und paßt drauf auf«, sagte Vyrom zu Kaldo Tikret. »Und wir suchen noch eins. Dann können wir von hier verschwinden.«
    Kaldo Tikret wischte sich ein gelbes Moospollenklümpchen von seinem struppigen Schnauzer. »Dann beeilt euch mal! Es gefällt mir gar nicht, hier allein rumzustehen.«
    »Klar«, höhnte Vyrom. »Es könnten sich ja ein paar Hjjks ranschleichen und dich verschleppen.«
    »Hjjks? Meinst du, ich fürchte mich vor Hjjks?« Kaldo Tikret lachte. Mit raschen kantigen Handbewegungen zeichnete er die Umrisse eines Insektenmenschen in die Luft: den hochragenden verlängerten Körper, die scharfen Einschnürungen zwischen Schädel und Thorax und Thorax und Abdomen, den langen schmalen Kopf, den vorgestülpten Rüssel, die mehrfach artikulierten Gliedmaßen. »Ich würde jedem Hjjk glatt die Beine ausreißen, wenn er versucht, mir lästig zu werden«, sagte er und demonstrierte es gleich in einer wilden Pantomime. »Und dann stopfe ich sie ihm in sein Spundloch. Außerdem, was hätten denn Hjjks in so ‘ner heißen Gegend zu suchen? Aber gefährlich genug ist es hier trotzdem, also beeilt euch, ja?«
    »Wir machen so schnell, wie es geht«, versprach Sipirod.
    Doch das Glück hatte sie verlassen. Eine Stunde und noch eine halbe stapfte sie mit Vyrom fruchtlos durch die Sümpfe, bis ihr Fell elendig naß und überall leuchtendgelb gefärbt war. Die Moosblüten pumpten unermüdlich ihren Pollen und verdunkelten den Himmel damit, und alles, was in der Dschungel phosphorisch oder lumineszent war, fing an zu glühen und zu pulsen. Manche der Laternenbäume begannen zu strahlen wie Leuchttürme, das Moos selbst glühte hell, und von der Seenfläche stieg eine düstre bläuliche Strahlung auf. Und sie fanden keine Spur von irgendwelchen weiteren Caviandis.
    Also kehrten sie schließlich um. Fast wieder an der Stelle zurück, an der sie Kaldo Tikret verlassen hatten, hörten sie plötzlich einen heiseren, unheimlich erstickt klingenden Hilferuf.
    »Schnell!« rief Vyrom. »Er steckt in der Klemme.«
    Sipirod packte ihren Partner am Handgelenk. »Warte!«
    »Warten, wieso?«
    »Wenn da was nicht stimmt, wäre es sinnlos, daß wir beide uns da reinstürzen. Ich geh mal vor und schau nach, was dort los ist.«
    Sie glitt durch den Bruch und trat auf die Lichtung.
    Und sah den schwarzen glitzernden Hals eines Gorynthen aus dem See ragen; vielleicht war es das Ungeheuer, das sie vorher heulen gehört hatten. Der Leib des Riesengeschöpfes lag unter Wasser. Nur die gebogene obere Partie war als ein Strang halb abgesoffener Fässer sichtbar; aber der Hals, fünfmal mannslang und geschmückt mit stumpfen schwarzen Stacheln in Dreieranordnung, ragte empor und krümmte sich wieder abwärts, und an seinem Ende zappelte Kaldo Tikret in den gewaltigen Kiefern. Er rief noch immer um Hilfe, aber es klang bereits ziemlich schwach. Im nächsten Augenblick würde er ins Wasser gezerrt werden.
    »Vyrom!« schrie Sipirod.
    Er kam wild mit seinem Speer fuchtelnd
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