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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden
Autoren: Caroline Graham
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Wenigstens auf einem dieser Bilder will ich ein Lächeln sehen. Modellagenturen und Theaterleute wollen alle Gesichtsausdrücke sehen, die der Künstler aufbringen kann, und je größer die Verwandlungsfähigkeit, desto wahrscheinlicher ist es, daß du einem von ihnen ins Auge fällst. Bis jetzt bist du ein bißchen langweilig gewesen, wenn du weißt, was ich meine. Ich sag' all meinen Kunden, daß sie an etwas Schönes denken sollen. Auf das Leuchten in den Augen kommt es an - viel mehr, als auf die Beleuchtung, die ich benutze. Denk' einfach an jemanden, der dir wirklich etwas bedeutet... komm schon, dir wird doch irgendjemand einfallen. Was ist mit deiner Familie ...? Du liebe Zeit, wie sich da der Blick verfinstert - entschuldige meine Worte. Wie steht's mit Freunden - bist du noch nicht auf die Richtige gestoßen?«
      Er hockte sich hinter die Pentax und seufzte. Unempfindlich wie der Hintern eines Straßenarbeiters und doppelt so hartnäckig. Der Junge sagte: »Sie sind mir wärmstens empfohlen worden. Von einem bekannten Schauspieler.«
      »Das glaub' ich dir, mein Lieber«, log der Photograph. Nachdenklich zog er an seinen Tiroler Hosenträgern. »In meiner Kabine hab' ich eine Menge bekannter Gesichter abgelichtet. Wir haben noch immer kein Lächeln im Kasten. Komm schon - tu's mir zuliebe. Hm - jetzt fletschst du die Zähne zu sehr. Wir sind hier noch nicht auf der Vorsprechprobe bei Hammer, weißt du.« Mein Gott, wenn er sich nicht irrte, würden jetzt ein weiteres Stirnrunzeln und ein beleidigter Schmollmund folgen. Nun ja, er hatte sein Bestes getan. Man konnte nicht hervorzaubern, was nicht vorhanden war. Dann sagte er etwas, das er jedesmal am Ende einer Sitzung anbrachte. Die Idee war ihm vor etlichen Jahren gekommen und schien schon längst keine Offenbarung mehr zu sein, doch er brachte sie trotzdem immer wieder an. »Natürlich sieht das Modell auf den guten, professionellen Photos immer so aus, als hätte es den Durchbruch schon geschafft.« Er sah auf und unterbrach seinen Redefluß. Der Junge war wie verwandelt. So hätte ein Flüchtling aussehen können, dem gerade das Visum für das gewünschte Land überreicht worden war. Und nur noch zwei Photos auf dem Film. Er machte sie schnell, mit Leichtigkeit. War es zuvor unmöglich gewesen, etwas Licht und Leben auf das Gesicht des Jungen zu zaubern, schien er sich jetzt nicht mehr beherrschen zu können. Seine Augen glitzerten, als stünden sie voller Tränen, das Blut pulsierte und hinterließ einen warmen roten Fleck auf seinem Gesicht, selbst sein erstaunlich rostbraunes Haar wirkte lebendiger. Es schien einen knisternden Strahlenkranz um seinen Kopf zu bilden. Jegliche Unsicherheit war aus seinem Lächeln verschwunden; ebenso jede Spur von Verletzlichkeit. Lawrence hatte das Lächeln Hunderter hoffnungsvoller junger Männer photographiert, sie beobachtet, während sie sich über den Probeabzügen den Kopf zermarterten, weil sie wußten, daß das eine, welches im Spotlight erscheinen würde, ihr Leben verändern könnte. Und immer hatte eine Spur von Zerbrechlichkeit um den Mund gelegen, wie großspurig oder hübsch das Gesicht sonst auch sein mochte. Hier war das nicht der Fall. Als Lawrence aufblickte, strahlte ihn der Junge immer noch an. Ihm wurde klar, daß er das Stirnrunzeln vorzog. »Das wär's«, sagte er.
      Jetzt kniete Fenn in seinem Zimmer vor einem Stapel von Photos. Dieser schwule Photograph hatte versucht, ihn von seiner Entscheidung abzubringen. Von dem Photo, auf dem er direkt in die Kamera sah. Hatte gesagt, es würde ein wenig herausfordernd wirken. Zum Glück konnte Fenn sich vorstellen, was er im Sinn hatte. Solche Versager hatte er längst durchgeschaut. Neidische Kerle, die einen behinderten, wo sie nur konnten. Wie dieser Typ im Salisbury Square. Er mußte gewußt haben, daß dieser Lawrence Soundso ein kleiner Scheißer war. Vielleicht arbeiteten sie ja zusammen, und der Schauspieler bekam Prozente. Sei's drum - nächstes Jahr um diese Zeit wären es Bailey oder Litchfield. Er breitete die Photos aus. Obwohl ersich einer leichten Enttäuschung nicht erwehren konnte, ermutigte ihn die Vielfalt der Bilder, schien sie ihn in seinen Träumen zu bestätigen. Er nahm sie in die Hand, breitete sie fächerartig aus, schob sie dann wieder zusammen, bog sie leicht zurück und ließ sie wie bei einem Kartenspiel zurückschnellen. Das war schon viel besser. Die schnelle Abfolge der weißen, silbernen und schwarzen Bilder
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