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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden
Autoren: Caroline Graham
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ließ sein Gesicht lebendig wie in einem Film erscheinen. Farbphotos hatte er nicht haben wollen, denn er ahnte, daß sie, so professionell sie auch gemacht sein mochten, immer banal und effekthascherisch wie Urlaubsphotos wirken würden. Und er hatte recht gehabt.
      Er hörte Mr. Christoforou - seinen Vermieter und Besitzer des Oasis-Imbisses - von unten rufen: »Post.« Er wartete einen Moment, bevor er die Tür öffnete und nach unten ging. Beim Geruch des abgestandenen Fetts zog sich ihm der Magen zusammen. Auf der vierten Treppenstufe lag ein Brief, dessen rotes BBC-Zeichen in der oberen linken Ecke ihn anzuspringen schien. Das würde wohl die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch beim Fernsehen sein.
      Er hatte sich die Zeitschrift Contacts gekauft und sofort alle regionalen Anstalten und Privatsender durchgesehen. Er hatte keineswegs die Absicht, aus London fortzugehen oder sich von irgendeinem windigen Unternehmen ausnehmen zu lassen, um bekannt zu werden. Er beschloß, sich einen Tee zu kochen und den Brief nicht zu öffnen, bis er fertig war. Spüle, Kocher und Teekessel befanden sich hinter einer Trennwand in einer Ecke seines Zimmers. Dort hatte er auch ein Schränkchen mit ein wenig Küchengeschirr angebracht. Eine Tasse mit Untertasse, zwei Tumbler, einen Teller, einen Kochtopf, eine Bratpfanne. Er hatte zwei Tumbler, denn als er sich selbständig gemacht hatte, war ihm eingefallen, daß man einem Mädchen ein Glas Wein oder irgendeinen anderen Drink anbieten mußte. Teil des Vorspiels, wie seine Bücher es nannten. Aber es hatte nicht ganz geklappt. Entweder konnten sie es kaum abwarten, oder sie waren, egal wieviel man ihnen einflößte, zu nichts anderem in der Lage, als sich zu zieren und Gründe zu finden, wieso sie nicht konnten. »Wobei sich die Frage stellt«, wie er einer von ihnen auf, wie er fand, durchaus vernünftige Weise erwidert hatte, »wieso wir überhaupt hierhergekommen sind.«
      Außer der Trennwand standen in seinem Zimmer ein schmales Bett mit einem altmodischen Kopfteil aus Eiche, ein Tisch, ein Holzstuhl, eine Kommode, an der zwei Griffe fehlten, und ein Schwarzweißfernseher. Alles war von peinlichster Sauberkeit. Das Licht kam von einer nackten Birne. Er hatte es mit einem Lampenschirm aus Papier versucht, doch das war nur ein weiterer Staubfänger. Er war mit dem Zimmer nicht unzufrieden. Es war ja nur übergangs weise. Ein Vorzimmer. Nur einen Schritt entfernt von dem Drama, das bald beginnen und seinem Leben einen neuen Sinn verleihen würde. Ähnlich dem Ankleideraum eines Schauspielers, dem Ort, an dem er sich seinen Text ins Gedächtnis ruft, sich schminkt und sein Kostüm anlegt, während er über den Lautsprecher den Fortgang des Stücks verfolgt.
      Fenn wartete also und bereitete sich darauf vor, berühmt zu werden. Er wußte, wie wichtig es war. Die Zeitungen waren voll von Berichten über junge Leute - einige sogar jünger als er selbst -, die plötzlich im Rampenlicht standen und unfähig waren, mit dem Reichtum und der Bewunderung umzugehen, die darauf folgten. Berühmte Leute waren einer besonderen Luft ausgesetzt, deren Reinheit einen umwerfen konnte, wenn man nicht daran gewöhnt war. Es war, als stehe man auf einem hohen Gipfel, ohne den Aufstieg gemacht zu haben. Dann fing die Nase an zu bluten, und die Adern schwollen an. Ihm würde das nicht passieren. Er ließ sich nicht leicht beeinflussen. Abneigung oder Zuneigung anderer Menschen ließen ihn gleichermaßen kalt. Auf Angst reagierte er schon anders. In der Schule hatten sich einige Mitschüler vor ihm gefürchtet, und das hatte ihm gefallen. Sobald sie Angst hatten, taten die Leute alles, was man von ihnen verlangte.
      Er schüttete das kochende Wasser in seine kleine braune Teekanne, legte den Deckel auf, setzte sich und starrte auf den Brief, wobei er sich fragte, wie viele Menschen ein solches Maß an Selbstkontrolle aufbrachten. Die meisten wären die Treppe hinuntergerannt, hätten den Brief an sich gerissen und ihn aufgemacht. Er hatte sich für keine bestimmte Position beworben, denn er war überzeugt, daß es, sobald er beim Fernsehen arbeitete, nur noch eine Frage der Zeit war, bis man auf ihn aufmerksam würde. Offensichtlich würde er eine Grundausbildung machen müssen; zweifelsohne würde man sich gewisse technische Tricks aneignen müssen, aber letzten Endes kam es doch auf die Persönlichkeit an. Auf Aussehen und Persönlichkeit. Er stellte sich vor, was er bei seinem
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