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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
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uns zu neh­men? Wenn wir uns zu Hü­tern von Pla­ne­ten ma­chen, sind wir dann bes­ser als Gru­ne­wald – blin­de Kau­sa­li­tät, gleich­gül­ti­ge Grau­sam­keit des Zu­falls, das wil­de Mah­len in sei­nem ar­men, ver­rück­ten Kopf?)
    „Auf die­se Wei­se wür­den wir un­se­rem Schick­sal nicht ge­recht“, er­klär­te er ihr. „Wir wä­ren viel­mehr vor­sich­ti­ge Len­ker, un­be­kannt und un­sicht­bar, Hü­ter der Frei­heit, an­statt selbst­herr­lich un­se­ren Wil­len durch­zu­set­zen. Wahr­schein­lich ist das die ein­zi­ge Auf­ga­be, wert, von un­se­rer neu­en Zi­vi­li­sa­ti­on nach ih­rem Auf­bau ge­leis­tet zu wer­den.“
    O wun­der­ba­re Be­stim­mung, glor­rei­che Zu­kunft! Warum bin ich dann so trau­rig? Und da sind im­mer noch die un­ge­wein­ten Trä­nen.
    Sie sag­te, was ge­sagt wer­den muß­te. „Shei­la wur­de vor ein paar Ta­gen ent­las­sen.“ Ich wei­ne für dich, mein ar­mer Lieb­ling.
    „Ja“, nick­te er. „Ich ha­be es ge­se­hen.“ (Sie rann­te hin­aus wie ein klei­nes Mäd­chen und streck­te ih­re Hän­de la­chend der Son­ne ent­ge­gen.)
    „Sie hat ih­re Ant­wort ge­fun­den. Du mußt dei­ne noch fin­den.“
    Sei­ne Ge­dan­ken wan­der­ten zu­rück. „Sie wuß­te nicht, daß ich sie be­ob­ach­te­te.“ Es war ein kal­ter, hel­ler Mor­gen. Ein ro­tes Ahorn­blatt ver­fing sich in ih­rem Haar. Frü­her hat sie oft für mich Blu­men im Haar ge­tra­gen. „Sie fängt schon an, mich zu ver­ges­sen.“
    „Du hast Kear­nes ge­be­ten, ihr da­bei zu hel­fen“, er­wi­der­te sie. „Das war das Tap­fers­te, was du je ge­tan hast. Man braucht Mut, um freund­lich zu sein. Aber bist du jetzt stark ge­nug, freund­lich zu dir selbst zu sein?“
    „Nein“, ant­wor­te­te er. „Ich will nicht auf­hö­ren, sie zu lie­ben. Es tut mir leid, Hel­ga.“
    „Man wird Shei­la über­wa­chen“, sag­te Hel­ga. „Sie wird es nicht be­mer­ken, aber die Be­ob­ach­ter wer­den ih­re Wan­de­rung lei­ten. Es gibt da ei­ne viel­ver­spre­chen­de Schwach­sin­ni­gen­ko­lo­nie – Qual – im Nor­den der Stadt. Wir hel­fen ih­nen seit kur­z­em, oh­ne daß sie es ah­nen. Ihr Füh­rer ist ein gu­ter Mann, stark und freund­lich. Shei­las Blut wird der Sau­er­teig ih­rer Ras­se sein. Co­rinth schwieg.
    „Pe­te, jetzt mußt du dir selbst hel­fen“, sag­te sie drän­gend. „Nein“, sag­te er. „Aber auch du kannst dich ver­än­dern, wenn du willst, Hel­ga. Du kannst dich von mir lö­sen.“
    „Nicht, wenn du mich brauchst, es weißt und dich im­mer noch an ein to­tes Sym­bol klam­merst“, ent­geg­ne­te sie. „Pe­te, jetzt bist du es, der sich dem Le­ben nicht stellt.“
    Ein lan­ges Schwei­gen folg­te, nur das Meer und der Wind spra­chen. Der Mond nä­her­te sich dem Ho­ri­zont, sein Schein fiel ih­nen in die Au­gen, und Co­rinth wand­te sein Ge­sicht ab. Dann er­schau­er­te er und straff­te die Schul­tern.
    „Hilf mir!“ sag­te er und er­griff ih­re Hän­de. „Ich schaf­fe es nicht al­lein. Hilf mir, Hel­ga.“
    Es gibt kei­ne Wor­te da­für. Es wird nie Wor­te da­für ge­ben.
    Ihr Geist, ihr Den­ken, traf sich, floß zu­sam­men, un­ter­stütz­te sich ge­gen­sei­tig, und auf ei­ne völ­lig neue, nie ge­kann­te Wei­se hat­te der ei­ne an der Kraft und Stär­ke des an­de­ren teil, und so kämpf­ten sie und be­frei­ten sich von dem, was vor­ge­gan­gen war.
    Zu lie­ben, zu eh­ren und zu sor­gen, bis daß der Tod uns schei­det.
    Es war ei­ne al­te Ge­schich­te, dach­te Hel­ga, wäh­rend der Ozean rausch­te. Es war die äl­tes­te und schöns­te Ge­schich­te der Welt, des­halb hat­te sie auch das Recht auf ei­ne al­te Spra­che. Das Meer und die Ster­ne und – ja, so­gar ein vol­ler, strah­len­der Mond.

 
21
     
    Wie­der Herbst – und Win­ter in der Luft. Die her­ab­ge­fal­le­nen Blät­ter la­gen in Hau­fen un­ter den kah­len, dunklen Bäu­men und fuh­ren mit je­dem Wind­stoß ra­schelnd über den Bo­den. Im Wald hat­ten sich nur ein paar Farb­tup­fer ge­hal­ten: Gelb, Bron­ze oder Vio­lett vor ei­nem grau­en Hin­ter­grund. Am Him­mel zo­gen die Wild­gän­se in großen Schwär­men nach Sü­den. Es war mehr Le­ben im Him­mel, die­ses Jahr – we­ni­ger Jä­ger, über­leg­te Brock.
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