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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes
Autoren: Patrick Rothfuss
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Abend erfüllte das Holz den Raum mit dem kaum wahrnehmbaren Duft von Zitrusfrüchten und ablöschendem erkaltendem Eisen.
    Als Kotes Blick auf die Truhe fiel, glitt er nicht schnell wieder fort. Er huschte auch nicht verstohlen beiseite, wie um so zu tun, als wäre sie gar nicht da. Doch in dem Augenblick, als er hinsah, zeigten sich auf seinem Gesicht wieder all die Falten, die von den kleinen Freuden des Tages langsam geglättet worden waren. Der Trost seiner Flaschen und Bücher war mit einem Schlag verflogen, und hinter seinen Augen blieben nur Leere und Schmerz. Für einen Moment rangen auf seinem Gesicht große Sehnsucht und Reue miteinander.
    Dann war auch das fort, und es blieb nur das müde Gesicht eines Gastwirts, eines Mannes, der sich Kote nannte. Er seufzte noch einmal, ohne es zu bemerken, und stand auf.
    Es dauerte lange, bis er an der Truhe vorbei zum Bett ging. Und als er im Bett lag, dauerte es lange, bis er schlief.

    Wie Kote vermutet hatte, kamen sie am nächsten Abend wieder ins Wirtshaus, um dort zu essen und zu trinken. Es gab ein paar halbherzige Ansätze, alte Geschichten zu erzählen, aber sie versandeten schnell. Keinem war danach zumute.
    Und so wandte sich das Gespräch schon früh am Abend wichtigeren Dingen zu. Man kaute die Gerüchte durch, die ins Dorf gedrungen waren, und es waren größtenteils beunruhigende Gerüchte. Der Bußfertige König hatte es in Resavek mit den Rebellen zu tun bekommen. Das löste einige Besorgnis aus, aber mehr allgemeiner Art. Resavek war weit entfernt, und selbst Cob, der welterfahrenste von ihnen, hätte Schwierigkeiten gehabt, es auf einer Landkarte zu finden.
    Sie sprachen darüber, was der Krieg für sie selbst bedeutete. Cob prophezeite eine dritte Steuererhebung, sobald die Ernte eingebracht war. Keiner widersprach, auch wenn es seit Menschengedenken keine drei Erhebungen in einem Jahr gegeben hatte.
    Jake schätzte, dass die Ernte so gut ausfallen würde, dass die dritte Steuererhebung die meisten Familien nicht in Schwierigkeiten bringen würde. Von den Bentleys einmal abgesehen, die eh schon schwere Zeiten durchmachten. Und den Orrisons, denen immer wieder Schafe abhanden kamen. Und dem verrückten Martin, der dieses Jahr ausschließlich Gerste angebaut hatte. Jeder Bauer, der auch nur halbwegs bei Verstand war, hatte Bohnen angebaut. Das war das Gute an all den Kämpfen: Soldaten aßen Bohnen, und die Bohnenpreise würden steigen.
    Nach einigen weiteren Runden kamen schwerwiegendere Sorgen zur Sprache. Auf den Straßen wimmelte es von Deserteuren und Gelegenheitsräubern, und selbst kurze Reisen wurden dadurch riskant. Die Straßen waren natürlich immer unsicher, so wie die Winter immer kalt waren. Man beklagte sich darüber, ergriff vernünftige Vorsichtsmaßnahmen und lebte gelassen weiter.
    Doch diesmal war es anders. Im Laufe der vergangenen zwei Monate waren die Straßen so unsicher geworden, dass die Leute es schon aufgegeben hatten, sich darüber zu beklagen. Die letzte Karawane hatte aus zwei Wagen bestanden, eskortiert von vier Wächtern. Der Händler hatte für ein halbes Pfund Salz zehn Penny verlangt und für einen Zuckerhut fünfzehn. Er hatte keinen Pfeffer, keinen Zimt, keine Schokolade. Er hatte einen kleinen Sack Kaffee, wollte aber zwei Silbertalente dafür. Zunächst hatten die Leute über seine Preise gelacht. Als er sich dann jedoch nicht herunterhandeln ließ, hatten sie vor ihm ausgespuckt und ihn verwünscht.
    Das war nun zwei Spannen her: zweiundzwanzig Tage. Seitherwaren hier keine Händler mehr durchgekommen, obwohl jetzt eigentlich die Jahreszeit dafür war. Und so kam es, dass die Leute, obwohl sich die dritte Steuererhebung schon bedrohlich abzeichnete, in ihre Geldbeutel blickten und wünschten, sie hätten das eine oder andere gekauft, nur für den Fall, dass die Schneefälle in diesem Jahr früh einsetzten.
    Keiner sprach den Vorabend an und das Ding, das sie verbrannt und vergraben hatten. Anderswo hingegen sprach man natürlich darüber. Im Ort gingen Gerüchte um. Carters Verletzungen sorgten dafür, dass sie halbwegs ernst genommen wurden, aber eben auch nur halbwegs. Das Wort »Dämon« wurde ausgesprochen, aber nur hinter vorgehaltener Hand und mit halb verborgenem Lächeln.
    Nur die sechs Freunde hatten das Ding gesehen, ehe es verbrannt wurde. Einer von ihnen war verletzt worden, und die anderen hatten getrunken. Der Priester hatte es auch gesehen, aber Dämonen zu sehen gehörte ja schließlich zu
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