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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes
Autoren: Patrick Rothfuss
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seinem Beruf. Dämonen waren bei ihm gut fürs Geschäft.
    Der Wirt hatte es offenbar auch gesehen. Aber der war nicht hier aus der Gegend. Er konnte daher nicht wissen, wie es wirklich stand und was jedem klar war, der in diesem Dorf geboren und aufgewachsen war: Hier erzählte man sich zwar Geschichten, diese Geschichten aber spielten sich anderswo ab. Dies hier war kein Ort für Dämonen.
    Außerdem stand es schon schlimm genug; da musste man sich keinen unnötigen Kummer einhandeln. Cob und die anderen wussten, dass es keinen Sinn hatte, darüber zu reden. Wenn sie versucht hätten, die Leute zu überzeugen, hätten sie sich nur zum Gespött gemacht, so wie der verrückte Martin, der schon seit Jahren in seinem Haus einen Brunnen grub.
    Dennoch kaufte jeder von ihnen beim Schmied eine kaltgeschmiedete Eisenstange, so schwer, dass sie sie gerade noch schwingen konnten, und keiner von ihnen sprach aus, was sie alle dachten. Stattdessen beklagten sie sich darüber, dass die Straßen unsicher waren und immer unsicherer wurden. Sie sprachen über Händler, Deserteure, Steuererhebungen und darüber, dass sie zu wenig Salz für den Winter hatten. Sie ergingen sich in Erinnerungen daran, dassdrei Jahre zuvor niemand auf die Idee gekommen wäre, über Nacht die Türen zu verschließen, geschweige denn, sie zu verriegeln.
    Von da an ging es mit dem Gespräch bergab, und obwohl keiner aussprach, was sie alle dachten, endete der Abend in trostloser Stimmung. So war das derzeit meistens, da die Zeiten nun einmal waren, wie sie waren.

Kapitel 2
    Ein schöner Tag

    E s war einer jener wunderschönen Herbsttage, wie sie so oft in Geschichten und so selten im wirklichen Leben vorkommen. Es war warm und trocken, ideales Wetter, dass Mais und Weizen reiften. Beiderseits der Straße färbte sich das Laub der Bäume. Die Kronen der hohen Pappeln waren nun buttergelb, und die am Straßenrand wuchernden Gerbersträucher hatten knallrote Blätter bekommen. Nur die alten Eichen schienen den Abschied vom Sommer noch hinauszuzögern, und ihr Laub war noch zu gleichen Teilen golden und grün.
    Alles in allem hätte man sich keinen schöneren Tag erhoffen können, um sich von einem halben Dutzend ehemaliger Soldaten, die mit Jagdbögen bewaffnet waren, die gesamte Habe abnehmen zu lassen.
    »Sie ist doch nur noch ein alter Klepper, Sir«, sagte der Chronist. »Ein besseres Zugpferd, weiter nichts, und wenn es regnet –«
    Der Mann schnitt ihm mit einer energischen Geste das Wort ab. »Hört mal zu, mein Freund: Das Heer des Königs zahlt gutes Geld für alles, was vier Beine und mindestens noch ein Auge hat. Doch selbst ein Steckenpferd hätte ich Euch abgeknöpft, wenn Ihr so verrückt gewesen wärt, hier mit einem anzukommen.«
    Der Anführer hatte etwas Gebieterisches an sich. Der Chronist vermutete, dass er kürzlich noch ein rangniederer Offizier gewesen war. »Nun steigt schon ab«, sagte er in ernstem Ton. »Wir bringen das jetzt hinter uns, und anschließend dürft Ihr wieder Eurer Wege ziehen.«
    Der Chronist stieg vom Pferd. Er war schon öfter beraubt worden und wusste, wann es nichts brachte zu debattieren. Diese Kerle wussten, was sie taten. Sie verschwendeten keine Energie darauf, den starken Mann zu markieren oder leere Drohungen auszustoßen. Einer von ihnen sah sich das Pferd an, überprüfte Hufe, Gebiss und Geschirr. Zwei andere durchsuchten mit soldatischer Gründlichkeit die Satteltaschen des Chronisten und legten sein Hab und Gut auf den Boden. Zwei Decken, ein Umhang mit Kapuze, die flache Ledermappe und sein schwerer, wohlbestückter Reisesack.
    »Das ist alles, Sir«, sagte einer der Männer. »Von etwa zwanzig Pfund Hafer mal abgesehen.«
    Der Anführer kniete sich hin, öffnete die Ledermappe und sah hinein.
    »Da sind nur Papiere und Federn drin«, sagte der Chronist.
    Der Anführer sah sich zu ihm um. »Dann seid Ihr also Schreiber?«
    Der Chronist nickte. »Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt, Sir. Und es ist für Euch nur von geringem Nutzen.«
    Der Mann sah die Mappe durch, überzeugte sich davon, dass es stimmte, und legte sie beiseite. Dann kippte er den Inhalt des Reisesacks auf den ausgebreiteten Umhang und kramte darin herum.
    Er nahm sich einen Gutteil des Salzvorrats und ein Paar Schnürsenkel. Dann griff er sich, sehr zur Bestürzung des Chronisten, auch noch das Hemd, das dieser in Linwood erworben hatte. Es war aus feinstem Leinen und königsblau gefärbt, als Reisekleidung viel zu schade.
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