Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nachtwandler

Der Nachtwandler

Titel: Der Nachtwandler
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
scheint dich völlig aus der Bahn zu werfen.«
    »Natalie?«
    Leon setzte sich erschrocken auf.
    Woher weiß er davon?
    »Ja. Ist sie etwa wieder aufgetaucht?«
    »Nein«, sagte Leon irritiert.
    Er zog die Bettdecke weg und bemerkte zu seinem Erstaunen, dass er nichts als eine Boxershorts trug. In seiner Erinnerung hatte er sich, völlig übermüdet, angezogen ins Bett fallen lassen.
    Habe ich etwa schon wieder getrunken? Verdammt, woran kann ich mich noch alles nicht mehr erinnern?
    Ein Klingeln, ähnlich wie das im Traum, ließ Leon zusammenzucken, und er stand auf.
    »Ich muss mal kurz an der Haustür nachsehen.«
    Barfuß tapste er in den Flur. Bevor er die Tür öffnete, sah er durch den Spion. Erleichterung überkam ihn.
    Gott sei Dank.
    Wenigstens in diesem Punkt ließ ihn sein Gedächtnis nicht im Stich. Er hatte gestern lange im Internet gestöbert, bis er fündig geworden war, und wie versprochen lieferte das Elektronikversandhaus bereits am nächsten Tag.
    »Moment«, rief Leon durch die geschlossene Tür. Dann griff er sich einen Mantel von der Garderobe und öffnete dem Paketboten.
    Der Mann, der etwa in Leons Alter war, steckte in einer an Knien und Ellbogen abgewetzten Uniform, deren Braunton mit der Farbe seiner Kurzhaarfrisur harmonierte. Das Namensschild über dem Firmenlogo (United Deliveries – Wir lieben unseren Job) wies ihn als Jonas K. aus, allerdings schien Jonas K. sich nicht sonderlich mit dem Firmenmotto zu identifizieren. Er kaute teilnahmslos auf einem Kaugummi herum und hörte Musik über einen klobigen Kopfhörer.
    Während Leon die Lieferung ungelenk auf einem Klemmbrett quittierte, versprach er Sven, noch heute mit den neuen Entwürfen in ihr Architekturbüro zu kommen.
    »Ich hab die Fahrstühle platzsparend um das Atrium arrangieren können. Und es gibt einen Clou, den die Klinikleitung lieben wird.«
    Leon wollte die Tür wieder schließen, als der Paketbote unvermittelt seinen Kopfhörer abnahm und sagte: »’tschuldigung, ich hab ein Problem.«
    »Bitte?«
    »Dürfte ich mal Ihre Toilette benutzen?«
    »Was?«
    »Ihre Toilette. Sie haben doch eine?«
    Leon blinzelte nervös und merkte, dass ihn die Frage in diesem Moment völlig überforderte. Eine nachvollziehbare Bitte, die man ebenso ungern gewährte wie abschlug.
    Er sah sich den Mann genauer an, der jetzt, da er sein stoisches Kauen unterbrochen hatte, weitaus intelligenter wirkte. Eine hohe Stirn, wache Augen, die Nase in Relation etwas zu groß geraten, was den Gesamteindruck aber ebenso wenig störte wie das fehlende linke Ohrläppchen, das erst jetzt auffiel, da die Ohren nicht länger bedeckt waren.
    Leon trat einen Schritt beiseite, um den ungebetenen Gast passieren zu lassen, als dieser sagte: »Danke, sehr nett. Ich hab nämlich Durchfall.«
    »Wie bitte?«
    Leon meinte, sich verhört zu haben, aber der Bote setzte eine unbekümmerte Miene auf. Erst nach einer Weile verriet ihn seine bebende Unterlippe. »Scheiße, Mann, Sie müssten sich mal im Spiegel sehen«, prustete er los. »Als ob Sie sich gerade selbst eingekackt hätten.«
    Jetzt lachte der Bote wie ein Wahnsinniger über seinen absurden Scherz, während Leon Mühe hatte, seine entglittenen Gesichtszüge wieder in Position zu bringen.
    Sind denn hier alle verrückt geworden?
    »Nichts für ungut, Alter, aber irgendwie muss man sich bei dem öden Job ja bei Laune halten.« Der Witzbold setzte sich kichernd seine Kopfhörer wieder auf und machte auf dem Absatz kehrt.
    »Wer war denn das eben?«, wollte Sven wissen, nachdem Leon die Tür zugeschlagen hatte.
    »Nur ein Spinner, wo war ich stehengeblieben?«
    Er blickte durch den Spion, aber der Bote war verschwunden.
    »Bei dem Clou, den du in die Präsentation eingebaut hast.«
    »Richtig. Ein unterirdisches Tunnelsystem. Die wichtigsten Trakte des Krankenhauses sind jetzt miteinander verbunden. Aber nicht wie üblich nur für Fußgänger, sondern auf den Haupttrassen auch für Einsatzfahrzeuge.«
    »Womit wir das Radiologie-Problem und den Patiententransport gelöst hätten«, freute sich Sven.
    Ihr erster Entwurf war auf Kritik gestoßen, weil das Diagnosezentrum recht abgelegen plaziert war. Ein Problem, das das weitläufige Krankenhausgelände zwangsläufig mit sich brachte.
    »Und wir können unsere Grundkonzeption bewahren.«
    »Ja. Hoffen wir nur, dass sie die enormen Mehrkosten akzeptieren.«
    Das Telefon zwischen Kinn und Schlüsselbein eingeklemmt, trug Leon das Paket mit beiden Händen den Flur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher