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Der Mythos des Sisyphos

Der Mythos des Sisyphos

Titel: Der Mythos des Sisyphos
Autoren: Albert Camus
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komme ich wieder zu SCHESTOW. Ein Kommentator überliefert uns einen interessanten Ausspruch von ihm: , sondern Um jede Verwirrung zu vermeiden, läßt der russische Philosoph sogar durchblicken, daß dieser Gott vielleicht gehässig und hassenswert, unbegreiflich und widerspruchsvoll ist, daß er aber gerade da, wo sein Antlitz am scheußlichsten ist, am deutlichsten seine Macht offenbare. Seine Größe liegt in seiner Inkonsequenz. Seine Unmenschlichkeit ist sein Beweis. Man muß in ihn hineinspringen und sich mit diesem Sprung von allen rationalen Illusionen frei machen. So bedeutet für SCHESTOW die Anerkennung des Absurden gleichzeitig das Absurde selbst. Es feststellen heißt: es anerkennen, und die logische Aufgabe seines Denkens ist es, das Absurde ans Licht zu bringen und damit gleichzeitig die gewaltige Hoffnung aufleuchten zu lassen, die es mit sich bringt. Noch einmal: diese Haltung ist berechtigt. Aber ich versteife mich hier darauf, ein einziges Problem mit allen seinen Konsequenzen zu erörtern. Ich habe nicht die Erhabenheit eines Gedankens oder eines Glaubensaktes zu untersuchen. Das kann ich mein ganzes Leben lang tun. Ich weiß, daß der Rationalist die SCHESTOWsche Haltung aufreizend findet. Aber ich fühle auch, daß SCHESTOW dem Rationalisten gegenüber recht hat, und ich will nur wissen, ob er den Geboten des Absurden treu bleibt.
    Wenn man also zugibt, daß das Absurde das Gegenteil von Hoffnung ist, so sieht, man: das existentielle Denken setzt für SCHESTOW zwar das Absurde voraus, beweist es aber nur, um es wieder aufzulösen. Diese gedankliche Spitzfindigkeit ist ein rührendes Jongleurspiel. Wenn SCHESTOW andererseits sein Absurdes der landläufigen Moral und der Vernunft gegenüberstellt, dann nennt er es Wahrheit und Erlösung. In der Grundlegung wie in dieser Definition des Absurden ist also eine Zustimmung enthalten, die SCHESTOW ihm erst beilegt. Erkennt man an, daß die ganze Macht dieses Begriffes darauf beruht, daß er unsere elementaren Hoffnungen zerstört, und fühlt man, daß das Absurde nur bestehen kann, sofern man mit ihm keineswegs einverstanden ist, dann hat es, wie man wohl sieht, sein wahres Antlitz, seinen menschlichen und relativen Charakter verloren, um in eine unbegreifliche und zugleich befriedigende Ewigkeit einzugehen. Wenn es das Absurde gibt, so nur im Universum des Menschen. Sobald dieser Begriff sich in ein Sprungbrett zur Ewigkeit verwandelt, ist er nicht mehr auf die menschliche Klarheit angewiesen. Dann ist das Absurde nicht mehr die Evidenz, die der Mensch feststellt und nicht anerkennt. Der Kampf ist dann vermieden. Der Mensch integriert das Absurde und löscht damit sein eigentliches Wesen aus: Auflehnung, Zerrissenheit und Zwiespalt. Dieser Sprung ist ein heimliches Ausweichen. Wenn SCHESTOW so gern das Hamlet-Wort () zitiert, so tut er das mit einer Art wilder Hoffnung, die er ganz persönlich hineinbringt. Denn nicht so sagt es Hamlet und schreibt es SHAKESPEARE. Die Trübung des Irrationalen und das Heraufrufen der Ekstase verleiden einem klaren Geist das Absurde. Für SCHESTOW ist die Vernunft eitel, aber jenseits der Vernunft gibt es noch etwas. Für den absurden Geist ist die Vernunft eitel, und jenseits der Vernunft gibt es nichts.
    Wenigstens kann dieser Sprung uns ein bißchen mehr über die wahre Natur des Absurden aufklären. Wir wissen, daß es nur in einem Gleichgewicht gilt und daß es vor allem im Vergleich und ganz und gar nicht in den verglichenen Begriffen steckt. SCHESTOW aber legt das Schwergewicht gerade auf einen dieser Begriffe und zerstört das Gleichgewicht. Unser Begreifenwollen, unser Heimweh nach dem Absoluten sind nur in dem Maße erklärlich, in dem wir viele Dinge begreifen und erklären können. Es ist sinnlos die Vernunft absolut zu negieren. Sie hat
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