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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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römischer Statthalter würde dem Laden hier sehr gut tun.«
    An jenem Abend fand ein prachtvolles Bankett statt, dessen kulinarischer Höhepunkt aus einem ganzen gerösteten Hippopotamus bestand. Ich stellte Creticus die gleiche Frage, und er klärte mich über ein paar Dinge auf.
    »Ägypten annektieren?« meinte er. »Das hätten wir in den letzten hundert Jahren jederzeit tun können, aber wir haben es gelassen, und das mit gutem Grund.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte ich. »Wann haben wir je nein gesagt, wenn wir die Chance hatten, ein bißchen Beute zu machen und ein Stückchen Land zu erobern?«
    »Du denkst die Sache nicht gründlich durch«, sagte er, während ein Sklave Elefantenohrsuppe in unsere massiv goldenen Suppenkelche löffelte, deren Kristallstiele in Gestalt eines betrunkenen Hercules' geformt waren. Ich tunkte meinen Elfenbeinlöffel in die Flüssigkeit und probierte sie. Für meinen Geschmack würde sie nie an eine gute Hühnerbrühe heranreichen. »Ägypten stellt nicht nur ein bißchen Beute und ein Stückchen Land dar«, erklärte Creticus mir geduldig.
    »Ägypten ist die reichste und produktivste Nation der Welt. Die Ptolemäer sind nur ständig verarmt, weil sie ein so krasses Mißmanagement betreiben. Sie umgeben sich mit frivolem Luxus oder verschleudern ihren Reichtum in Vorzeigeprojekten, die ihnen mehr Ruhm als Wohlstand oder Macht einbringen.«
    Der Flötenspieler schnarchte bereits leise an Creticus' Ellenbogen, so daß er keinen Anstoß an diesen Bemerkungen nahm.
    »Noch mehr Gründe für eine römische Neuorganisation«, sagte ich.
    »Und wem würdest du diese Aufgabe anvertrauen?« fragte Creticus. »Ich möchte nur darauf hinweisen, daß der General, der Ägypten erobern würde, mit einem Schlag der reichste Mann der Welt wäre. Kannst du dir das Hauen und Stechen unter unseren Militärs vorstellen, falls der Senat ihnen je einen derartigen Hauptgewinn unter die Nase halten würde?«
    »Ich verstehe.«
    »Es geht noch weiter. Ägyptens Getreideproduktion ist die bei weitem größte; sie übersteigt alle anderen Nationen um ein vielfaches. Der Nil schwemmt jedes Jahr gehorsam eine neue Ladung fruchtbaren Boden an, und die Bauern arbeiten weit effektiver als unsere Sklaven. Sie bringen es in der Regel auf zwei Ernten im Jahr, manchmal drei. Während einer Hungersnot im übrigen Reich könnte Ägypten das ganze Imperium ernähren, wenn man die Rationen ein bißchen kürzt.«
    »Der römische Statthalter in Ägypten hätte also die absolute Machtposition im Imperium?«
    »Und wäre in der Lage, sich zum unabhängigen König zu erklären, reich genug, alle Truppen anzuheuern, die er braucht.
    Würdest du Pompeius gerne an einer derartigen Stelle sehen?
    Oder Crassus?«
    »Ich verstehe. Deswegen war es auch immer unsere Politik, einen degenerierten Schwächling auf den Thron zu bugsieren?«
    »Genau. Und wir helfen ihnen immer: mit Darlehen, militärisch oder als Ratgeber. Nicht, daß sie für gute Ratschläge besonders zugänglich wären. Gaius Rabirius arbeitet heldenhaft daran, Ptolemaios' finanzielle Probleme in den Griff zu bekommen, aber es kann noch Jahre dauern, bis sich irgendein Fortschritt einstellt.« Rabirius war ein berühmter römischer Bankier, der riesige Summen an Ptolemaios verliehen hatte, woraufhin jener ihn zum Finanzminister von Ägypten ernannt hatte. »Und wen unterstützen wir diesmal?« fragte ich. »Es wird wohl der Säugling sein müssen«, sagte er, seine Stimme noch weiter senkend. »Aber es besteht keine Veranlassung, das so schnell bekannt werden zu lassen.« Er schenkte mir ein verschwörerisches Grinsen. »Die anderen Parteien werden uns nach allen Regeln der Kunst hofieren, solange sie sich noch eine Chance ausrechnen, die römische Gunst zu gewinnen.«
    »Die Prinzessinnen kommen überhaupt nicht in Frage?«
    wollte ich wissen. Ich mußte die Damen erst noch kennen lernen. Zu dieser Jahreszeit lebten sie auf den Landgütern der königlichen Familie.
    »Der Senat hat die Unterstützung von weiblichen Herrschern nie gutgeheißen, und die hiesigen werden von räuberischen Verwandten und Höflingen umschwärmt. Vermutlich muß der Balg eine von ihnen heiraten, zum Wohlgefallen seiner ägyptischen Untertanen. Soweit es den Senat betrifft, kann er auch eins der heiligen Krokodile heiraten.«
    »Nachdem das also entschieden ist«, fragte ich, »wie sollen wir uns hier die Zeit vertreiben?«
    »Wie alle Römer«, sagte er. »Wir lassen es uns gut
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