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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel
Autoren: John Maddox Roberts
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führten, gefolgt von jungen in Chitons gewandeten Mädchen mit Körben voller Rosenblüten, die sie freigiebigst verstreuten. Inmitten all dessen stand eine junge Frau, der alle ihre Ehrfurcht bezeugten.
    »Ich höre, wir haben Besucher«, sagte die junge Frau. »Wenn ich früher davon erfahren hätte, wäre ich natürlich zum königlichen Hafen gekommen, um euch zu empfangen!«
    Ich verbeugte mich so tief, wie es meine römische Würde zuließ. »Deine Anwesenheit ist uns eine Ehre, Prinzessin Berenike. Darf ich dir die Dame Fausta Cornelia, Tochter des verstorbenen, berühmten Diktators Lucius Cornelius Sulla vorstellen, sowie die Dame Julia Minor, Tochter des ehrenwerten Senators Lucius Julius Caesar.« Sie umarmte die beiden, während die Höflinge gurrten und zwitscherten.
    Die römischen Damen reagierten mit überzeugender Gelassenheit und ließen die königlichen Umarmungen mit kühler Würde über sich ergehen. Gelassenheit war auch vonnöten, denn Berenike war eine der Ptolemäerinnen, die die ägyptische Mode bevorzugten. Am Oberkörper trug sie lediglich einen ziemlich durchsichtigen Gaze-Umhang. Mit dem, was sie unten herum trug, wäre eine römische Tänzerin wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses aus der Stadt gejagt worden. Ihr Schmuck hingegen konnte es an Gewicht und Wuchtigkeit mit der Rüstung eines Legionärs aufnehmen.
    »Wir befinden uns im Nachteil, Eure Majestät«, protestierte Fausta. »Wir sind nicht darauf vorbereitet, königliche Hoheiten zu empfangen.«
    »Ach, macht euch darüber keine Gedanken«, sagte Berenike.
    »Zu mir kommen nie interessante Frauen zu Besuch, nur langweilige Männer mit ihrer Politik und ihren idiotischen Intrigen.« Mit einer Handbewegung vereinnahmte sie die gesamte römische Botschaft einschließlich meiner Person.
    »Und die ausländischen Königinnen und Prinzessinnen, die hierher kommen, sind ignorante Analphabetinnen, kaum mehr als veredelte Bäuerinnen. Aber zwei echte patrizische Damen ganz für mich allein! Kommt mit, ihr werdet nicht hier wohnen, sondern im Palast.« Ja, es gab noch einen weiteren Palast im Palast, der Berenike gehörte. Und so führte sie die beiden hinaus wie zwei neue Errungenschaften für ihre Menagerie. Ich fragte mich, ob sie versuchen würde, sie ebenfalls anzuleinen.
    Creticus betrat den Raum, als die Schar sich gerade verzogen hatte. »Was war denn hier los?« wollte er wissen.
    »Berenike hat unsere beiden Damen soeben weg gezaubert«, sagte ich. »Sie werden Rom nie wiedersehen.«
    »Auch gut«, sagte er praktisch, »damit wäre das Problem gelöst. Die Prinzessin hat zwei neue Spielzeuge, und wir haben eine Sorge weniger. Auf ihren Wegen durch die Stadt müssen sie jedoch von einem römischen Mann aus bedeutender Familie eskortiert werden. Alles andere wäre unschicklich. Das ist deine Aufgabe.«
    »Ich werde mich ihr mit Eifer widmen«, versprach ich.
    Berenike war aufmerksam genug, ihren beiden neuen Errungenschaften einen Abend Zeit zu lassen, sich von den Torturen in Neptuns Händen zu erholen; dann gab sie einen luxuriösen Empfang zu ihren Ehren, zu dem sie sämtliche Koryphäen des Museions sowie fast die gesamte Schickeria von Alexandria einlud. Das gab, wie man sich vorstellen kann, eine recht groteske Mischung. Da das Museion gänzlich dem Palast gehörte und von ihm finanziert wurde, hatte Berenikes Einladung etwa den Charakter eines Truppenappells. Deswegen war jeder Sterne guckende, Zahlen schindende und Bücher editierende Gelehrte in Alexandria zugegen, zusammen mit Schauspielern, Wagenlenkern, ausländischen Botschaftern, Gurus und dem halben ägyptischen Hochadel, der aus einem dekadenten Haufen Verrückter bestand, wie man ihn sich besser nicht wünschen konnte.
    Als sie zusammen kamen, entdeckte ich ein wohlbekanntes Gesicht. Es gehörte Asklepiodes, einem Gladiatorenarzt an der Schule des Statilius Taurus in Rom. Wir hatten eine lange gemeinsame Geschichte. Er war ein kleiner Mann mit sauber rasierten Wangen und einem Kinnbart nach griechischer Fasson und trug die Gewänder und das Haarband seiner Zunft. Er hielt in jenem Jahr Anatomie-Vorlesungen in Alexandria. Ich nahm ihn beiseite. »Schnell, Asklepiodes, wer sind diese Leute? Julia erwartet, daß ich sie alle kenne.«
    Er grinste. »Äh! Dann werde ich also endlich die wunderschöne Julia kennen lernen? Ist ihre Wahrnehmung so mangelhaft, daß sie dich für einen Gelehrten hält?«
    »Sie glaubt, ich würde mich bessern. Wer sind sie?«
    Er sah
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