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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann
Autoren: Helmut Wolkenwand
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man wenigstens, woran man war, bei den Chinesen war ich mir
nie ganz sicher, ob sie lächelten, weil sie freundlich sein wollten, oder weil
sie sich darauf freuten, einem demnächst die Haut in Streifen abzuziehen.
    Damals, so schien es, hätte die kleinste Provokation zu einem
Bandenkrieg geführt … und genau deshalb hatte Alexej mich dazu geholt. Ich war
ansatzweise neutral. Wenn man das so nennen konnte.
    Mit mehr Glück als Verstand und der Hilfe von Brockhaus war es mir
möglich gewesen, das Problem mit minimalem Blutverlust zu lösen.
    Danach sprach es sich herum, dass ich bereit war, mich diskret um
diverse kleine Probleme zu kümmern. Seitdem hatte sich daraus ein netter
kleiner Nebenjob entwickelt, der mir meist mit einem Auftrag mehr einbrachte
als mein Anteil an unserer Firma im gesamten Jahr.
    Als ich noch beim Geheimdienst tätig war, war Dankbarkeit nur ein
eher abstrakter Begriff gewesen. Schließlich war es ja geheim, wofür man
dankbar war. Wenn man es war. Nun aber zeigten meine Kunden ihre Dankbarkeit.
Mit Freundschaft, Gefälligkeiten, Wohlwollen, aber meistens eben mit dicken
Schecks.
    Das eine Mal, als mich jemand anschließend hat umlegen wollen, war
ja eine Ausnahme geblieben.
    Es war also im Prinzip das Gleiche, was ich vorher für den Dienst
getan hatte, nur besser bezahlt und weniger blutig. Bisher hatte ich auch noch
niemanden töten müssen.
    Gib schon zu, du hast es auch
vermisst.
    Auch das.

    Letzte Woche hatte mich Marvin angerufen und mir sein Problem geschildert. Tatsächlich
war ich überrascht gewesen, dass er von mir gehört hatte, aber eigentlich hätte
es mich nicht verwundern müssen, schließlich gab es schon immer eine Verbindung
zwischen Wirtschaft und der Unterwelt. Man wusste voneinander und stach sich
nur ein Auge aus, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.
    Ich hatte
allerdings selbst schon geschäftlich mit Marvin Schröder zu tun gehabt. Er
besaß eine Import-Export-Firma, die hauptsächlich mit Metallschrott Umsätze
machte. Marvin war etwa in meinem Alter, stets extrem gepflegt, hatte eine
hübsche Frau, zwei erwachsene Kinder und einen Dalmatiner.
    Er war außerdem so stockschwul, dass er wohl als Einziger letzten
Winter keinen Heizungszuschlag hatte zahlen müssen. Wahrscheinlich hatte er den
ganzen Häuserblock geheizt. Er war zudem vollständig geoutet. Letztes Jahr traf
ich ihn auf einer Party, bei der er mir anvertraute, dass er einen der Kellner
oberscharf gefunden hat. Seine Frau fand es wohl auch okay, so kamen sie sich
wenigstens nicht in die Quere. Wenn ich mich nicht irre, hat sie an dem Abend
eine der Hostessen abgeschleppt.
    Von Marvin auf Lucio zu kommen, lag nicht gerade nahe. Schließlich
vermittelte der ja Kontakte zu exklusiven Damen.
    Marvin hätte auch zur Polizei gehen können, aber er wünschte eine
diskrete Lösung. Womit wir beim Thema Windeln wären. Schwul sein war für Marvin
kein Problem, aber dass er sich eine von Lucios Damen mietete, damit sie ein
Kleid seiner Mutter anzog, ihm die Windeln wechselte und dann das Popöchen
verhaute, das war ihm dann doch peinlich. Aber dass er Westerwellchen wählte
nicht.
    Man konnte Marvin leicht unterschätzen. Er war einer von diesen
freundlichen Menschen, die nie laut wurden, immer ein offenes Ohr für andere
hatten und sich um ihre Freunde kümmerten. Anfangs brauchte ich trotzdem eine
Weile, um mich an ihn zu gewöhnen, vor allem als er noch an mir herumbaggerte.
Er schien ehrlich enttäuscht, dass er nicht bei mir landen konnte.
    »Wie, du bist noch nicht mal bi?«, hatte er mich ganz enttäuscht
gefragt und dabei noch eine Schnute gezogen, die wohl sexy sein sollte. Aber
nachdem das Thema dann erledigt war, entpuppte er sich als ein angenehmer
netter Kerl, mit dem man Pferde stehlen konnte. Vielleicht gerade weil er schwul
war.
    Für seine Freunde würde Marvin alles tun. Aber wenn man ihm auf die
Füße trat, dann konnte er ganz schnell richtig zickig werden.
    »Ich kann mich über Lucios Service nicht beschweren«, hatte er mir
erklärt. »Die Damen sind bezaubernd. Aber das letzte Mal ist er etwas zu weit
gegangen. Schau selbst.« Er hatte den Monitor zu mir gedreht, damit ich besser
sehen konnte, und nun sah ich zu, wie Lucio durch die Tür desselben Zimmers
schlich, in dem Marvin und ich nun saßen. »Überwachungskamera«, erklärte Marvin
und wies mit dem Finger hoch zur Decke. »Vor drei Jahren hatten wir einen
Einbruch hier, und ich dachte, wenn es noch einmal geschieht, möchte ich
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