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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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lagen fünf Zentimeter Schnee und Matsch auf den Straßen, und als die drei Männer in der Dunkelheit zur Straßenbahnhaltestelle an der Jackson Avenue liefen, rutschte
Thorn auf dem Eis aus. Nur Methvens fleischige Hand, an die er gekettet war, verhinderte, dass er auf dem Gehweg aufschlug. Er war in den vergangenen fünf Monaten nicht oft draußen gewesen und besaß keine Winterkleidung. Als sie die Fähre erreichten, zitterte er vor Kälte. In der Kabine war es wärmer, wenn auch nicht eben einladend: Die Pendler erkannten den gefesselten Passagier augenblicklich, und als sie an der anderen Seite des Flusses anlegten und Thorn von Bord ging, folgte ihm eine schnell größer werdende Menschenmenge. Ref 873 Ref 874
    Er ist es , verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer im Grand Central Depot. Die riesige Halle – die marmornen Kolonnaden, die Gepäckwagen, die für das Waldorf Astoria beladen wurden, die morgendlichen Einkäufer mit ihren Tüten voller gebrannter Mandeln von Charles & Company –, das alles schien sich immer enger um die drei Männer zu schließen. Die Menge drängte an Thorn und seine beiden Aufseher heran und verschmolz mit der Reporterschar von World, Journal und Telegram , die sie bereits umringte. »Sie müssen eingreifen«, ersuchten sie die Bahnpolizei, die daraufhin die Massen zurückdrängte. Doch als Methven und Doht Fahrkarten für den nächsten Zug kauften – »drei für den 8-Uhr-5-Zug, Raucher« – , stürzten die Menschen an die benachbarten Schalter und kauften einer nach dem anderen eine Fahrkarte nach Sing-Sing. Ref 875
    »Sie alle wollen Sie sehen«, staunte ein Reporter der World . Thorn gestattete sich ein kleines Lächeln, dann wurde er von der Hand, an die er gekettet war, zum Bahnsteig gezerrt. Ref 876
    Das Raucherabteil war bereits zum Bersten mit Schaulustigen gefüllt, und es gab nichts, was der Schaffner dagegen tun konnte: Schließlich waren alle im Besitz von Fahrkarten. Draußen pressten die Menschen ihre Gesichter gegen die Scheibe, hinter der Thorn nun Platz nahm. Die Bahnhofspolizisten mussten erneut eingreifen, um die Gaffer, die keinen
Fahrschein gelöst hatten, vom Bahnsteig zu schaffen. Den Hut tief ins Gesicht gezogen starrte Thorn zu Boden.
    »Zigarre?«, bot Captain Methven an.
    Thorn schüttelte den Kopf; er hatte keine Lust zu rauchen. Der Zug fuhr mit einem Ruck an, als sich die Kupplungen spannten, und langsam verschwanden die letzten Verfolger in der Ferne. Hier, inmitten der kleineren Menschenansammlung, blickte Thorn schließlich auf und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft des Hudson Valley.
    Die Reporter und Zeichner, die ihm und seinen Aufsehern gegenübersaßen, versuchten, ihn zum Reden zu animieren: Wie dachte er über Mrs Nack? Aber der Gefangene ging nicht darauf ein. Ein anderer versuchte es mit einer raffinierteren Einstiegsfrage: Was sagte er zu den Wahlen, die vor ein paar Wochen in der Stadt stattgefunden hatten?
    »Mir wäre es lieber gewesen, Tammany hätte gewonnen«, erwiderte Thorn. »Ich hätte für ihn gestimmt.«
    Der Gedanke schien ihn zusätzlich zu deprimieren, und er starrte wieder aus dem Zugfenster hinaus. Captain Methven unternahm einen unbeholfenen Versuch, ihn aufzuheitern.
    »Hören Sie mal, Martin.« Methven stieß seinen Gefangenen an. »Wie wäre es, wenn Sie Ihren Hund hier oben bei sich hätten? Er wird einsam sein im Gefängnis.«
    »Ja.« Thorns Miene hellte sich ein wenig auf. »Wenn Sie ihn mir schicken würden.«
    Ein Reporter der World schüttelte stumm den Kopf. Vielleicht kannten Methven und sein Gefangener Sing-Sing nicht gut, er hingegen hatte bereits mehrere Todeskandidaten dorthin begleitet und wusste, dass sie Bill Baker niemals hineinlassen würden.
    Der Zug fuhr in den Bahnhof von Ossining ein, wo schon die nächste Menschentraube auf sie wartete. Thorn wurde an den Schaulustigen vorbei in ein wartendes Droschkentaxi geschoben,
das sie hinaus aus der Stadt bis vor ein großes steinernes Tor brachte – den Eingang nach Sing-Sing. Am Straßenrand arbeiteten Sträflingsgruppen in gestreifter Kleidung in der eisigen Kälte, klopften Steine und harkten Kies, bewacht von Männern mit Winchester-Gewehren. Seine Reise war fast zu Ende.
     
    Zu Hunderten warteten sie am nächsten Morgen draußen in der Kälte Manhattans – dann zu Tausenden. Sie alle hatten die Zeitungsberichte über Thorns Überstellung nach Sing-Sing gelesen und dann die Mitteilung darunter entdeckt: Totenfeier von William
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