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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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viele Antworten, wie es Menschen auf der Welt gibt. Und ich hasse dieses Gerede über freien Willen.«
    »Weil Sie das Gefühl haben, keinen zu haben. Aber viele Menschen würden behaupten, daß sie ihn haben. Sie sind neidisch, deshalb lehnen Sie diesen Begriff ab.«
    »Sie sind ja ganz schön psychologisch.«
    »Das gehört zu meinem Beruf. Und mich interessieren wirklich alle Arten von Menschen.«
    »Ich bin nicht sonderlich interessant.«
    »Diese Entscheidung müssen Sie schon anderen überlassen. Sie wissen nicht, wie andere Sie sehen.«
    Plötzlich kommt Frank Robert auf sie zu, er hat etwas im Maul.
    »Nein, du meine Güte«, sagt Sejer und bückt sich. »Der Schlingel hat ja einen Knochen gefunden.«
    »Der sieht verfault aus«, kommentiert Charlo.
    »Das spielt keine Rolle. Sehen Sie doch nur, wie stolz er ist.«
    »Ja, die haben ein einfaches Leben.«
    »Während Ihres viel komplizierter ist?«
    »So, wie es jetzt ist«, sagt Charlo, »ist der Rest meines Lebens eine vernebelte Landschaft. Ich kann darin nichts mit Sicherheit erkennen.«
    »Das klingt dramatisch.«
    »Ja. Es gibt vieles, was Sie nicht wissen.«
    »Sie können gern nach Herzenslust erzählen. Ich bin hier.«
    »Ich versuche, ein wenig Würde zu behalten.«
    »Die will ich Ihnen auch gar nicht nehmen, das liegt nicht in meinem Interesse. Würde ist wichtig.«
    »Ich glaube, ich hatte niemals welche.«
    »Jetzt hören Sie sich aber sehr pessimistisch an. Sie haben Ihre Schulden bezahlt, haben Arbeit gefunden und Ordnung geschaffen. Sie haben sich mit Julie versöhnt.«
    »Ja, aber der Weg ist noch weit. Wenn ich ihn gehen kann.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ach, nichts.«
    Wieder schweigt er, bückt sich und nimmt dem Hund den Knochen weg. Der knurrt los und kratzt an Charlos Hosenbein herum. Sie bleiben noch zwanzig Minuten sitzen. Charlo nimmt die Wärme der Sonne in sich auf. Ab und zu bewegt er vorsichtig die Beine, spürt, daß sie da sind. Sie fühlen sich gesund an, er kann mit dem Fuß wippen. Jetzt noch.
    Sejer stellt Fragen.
    Die ganze Zeit in diesem ruhigen Tonfall, er hat nichts Bedrohliches an sich. Charlo antwortet. Er muß immer zuerst nachdenken, nach und nach stellt sich in seinem Kopf Erschöpfung ein, er verliert den Überblick darüber, was er bereits gesagt hat. Erste Anzeichen von Verwirrung. Er wird nervös. Er verspürt einen unwiderstehlichen Drang danach, alles zu erzählen und dann weiterzukommen. In ein Bett zu kommen, die Augen zu schließen, den Kopf zu leeren. Nein, sagt seine innere Stimme, du mußt schweigen!
    »Woran haben Sie gedacht, als Sie hinter dem stillgelegten Hotel in Ihrem Auto saßen?«
    »Ach, das weiß ich nicht so genau. Ich habe an alles und nichts gedacht. Meine Gedanken liefen in alle Richtungen auseinander, ich war unkonzentriert. Sicher hat es deshalb geknallt. Normalerweise wäre mir doch aufgefallen, daß der Toyota nicht halten würde.«
    »Aber nichts war normal?«
    »Ich war in die Enge getrieben worden. Und der Aufprall hat mich in den freien Fall gebracht. Das tut mir wirklich sehr leid. Zwischendurch habe ich überlegt, ich müßte versuchen, ihn ausfindig zu machen, alles zu erklären und ihn um Entschuldigung zu bitten. Er war so unglücklich, als ich ihn angepöbelt habe. Ich meine, normalerweise habe ich doch Manieren. Meine Eltern haben das sehr genau genommen, sie haben mir Benehmen beigebracht, und das habe ich auch.«
    »Sicher.«
    »Als ich jung war und Inga Lill umworben habe, habe ich mich an alle Regeln gehalten. Ich hatte Arbeit und ein Haus. Viel zu bieten. Es ist seltsam, jetzt daran zu denken.«
    »Aber dann haben Sie alles verloren? Erzählen Sie mir, wie das angefangen hat.«
    »Es war wie ein Sog. Das Spiel. Das Gewinnen. Die vielen Verluste waren nur ein notwendiger Teil davon, jeder Gewinn wog sie alle auf. Haben Sie das nie versucht?«
    »Nein, ich spiele nie. Nicht Toto, nicht Lotto. Und auch nichts anderes. Ich habe einen Enkel, und ich habe mich die ersten Jahre viel um ihn gekümmert. Ich habe ihm vorgelesen, bin mit ihm ins Kino gegangen, habe Fußball gespielt, bin mit ihm durch den Wald gelaufen, mit ihm verreist. Aber ein Spiel haben wir noch nie zusammen gespielt.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe Angst, daß er gewinnen könnte.«
    Charlo schaut ihn über den Tisch hinweg an.
    »Mit anderen Worten, Sie haben auch jetzt Angst? Sie haben in Ihrer ganzen Karriere als Polizist nicht einen einzigen unaufgeklärten Fall.«
    »Den Artikel haben Sie also
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