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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
Autoren: Rick Yancey
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nein, die kleine da, neben dem Schädelmeißel. Das ist die richtige.«
    Irgendwie brachte ich die Willenskraft auf, mich von meinem Platz zu bewegen, auch wenn mir die Knie schlimm zitterten und ich meine Füße buchstäblich nicht spüren konnte. Ich behielt die Augen auf den Doktor gerichtet und tat mein Möglichstes, den nahezu überwältigenden Drang, mich zu erbrechen, zu ignorieren. Ich reichte ihm die Zange und hielt das Tablett in seine Richtung; meine Arme zitterten, und ich atmete so flach wie möglich, denn der Verwesungsgestank brannte mir im Mund und lag wie ein glühendes Stück Holz in meinem Rachen.
    Dr. Warthrop griff mit der Zange in den Brustkorb des Dings. Ich hörte das Kratzen von Metall auf etwas Hartem – eine freiliegende Rippe? War dieses Wesen auch zum Teil verzehrt worden? Und, wenn es so war, wo war das andere Monster, das das getan hatte?
    »Äußerst merkwürdig. Äußerst merkwürdig«, sagte der Doktor, dessen Worte von seiner Gesichtsmaske gedämpft wurden. »Keine äußerlichen Zeichen von Traumata, offensichtlich im besten Alter, trotzdem mausetot … Was hat dich getötet, Anthropophage, hmmm? Wie hat dich dein Schicksal ereilt?«
    Während er sprach, klopfte der Doktor dünne Fleischstreifen von der Zange ins Metalltablett ab, dunkel und sehnig, wie halb geräuchertes Trockenfleisch; an einem oder zwei der Stränge klebte ein Stück einer weißen Substanz, und mir wurde klar, dass er die Stücke nicht vom Fleisch des Monsters ablöste: Das Fleisch gehörte zum Gesicht und Hals des Mädchens.
    Ich blickte zwischen meinen ausgestreckten Armen nach unten, auf die Stelle, wo der Doktor arbeitete, und sah, dass er nicht an einer freiliegenden Rippe geschabt hatte.
    Er hatte dem Ding die Zähne gesäubert.
    Der Raum begann sich um mich herum zu drehen. Der Doktor sagte mit sachlicher, ruhiger Stimme: »Ruhig Blut, Will Henry. Ohnmächtig bist du mir nicht von Nutzen. Wir haben heute Nacht eine Aufgabe. Wir sind sowohl Erforscher der Natur als auch ihrer Produkte, wir alle, einschließlich dieses Wesens. Geboren vom selben göttlichen Geist, falls man an solche Dinge glaubt, denn wie könnte es anders sein? Wir sind Soldaten der Wissenschaft, und wir werden unsere Pflicht erfüllen. Ja, Will Henry? Ja, Will Henry? «
    »Ja, Doktor«, würgte ich hervor. »Jawohl, Sir.«
    »Guter Junge!« Er ließ die Zange in das Metalltablett fallen. Fleischteilchen und Blutspritzer sprenkelten die Finger seines Handschuhs. »Bring mir den Meißel!«
    Gern kehrte ich zum Instrumententablett zurück. Bevor ich ihm jedoch den Meißel brachte, legte ich eine Pause ein, um mich, als guter Fußsoldat der Wissenschaft, für den nächsten Angriff zu wappnen.
    Auch wenn es ihm an einem Kopf gebrach, ein Mund fehlte dem Anthropophagen nicht. Oder Zähne. Die Öffnung war wie die eines Hais geformt, und die Zähne waren gleichermaßen haiartig: dreieckig, sägeförmig gezackt und milchweiß, angeordnet in Reihen, die von der inneren, unsichtbaren Rachenhöhle nach vorn in den Mund marschierten. Dieser selbst lag knapp unterhalb des enormen muskulösen Brustkorbs, in der Gegend zwischen den Brustmuskeln und der Leiste. Ich konnte keine Nase entdecken, doch blind war er im Leben nicht gewesen: Seine Augen (von denen, wie ich gestehe, ich nur eins gesehen hatte) saßen auf den Schultern, lidlos und völlig schwarz.
    »Mach fix, Will Henry!«, rief der Doktor. Ich brauchte zu lang, um mich zu wappnen. »Roll das Tablett näher an den Tisch, sonst wirst du vom Hin- und Hertraben müde!«
    Als das Tablett und ich in Stellung waren, streckte er die Hand aus, und ich knallte ihm den Meißel hinein. Er schob das Instrument ein paar Zoll in den Mund des Monsters unddrückte nach oben, indem er den Meißel wie ein Stemmeisen einsetzte, um die Kiefer zu spreizen.
    »Zange!«
    Ich klatschte sie ihm in die freie Hand und sah zu, wie sie in den reißzahnüberzogenen Rachen eindrang … tiefer, dann noch tiefer, bis die ganze Hand des Doktors verschwunden war. Seine Unterarmmuskeln traten hervor, als er das Handgelenk drehte, um den hinteren Rachenraum des Dings mit den Zangenenden zu erforschen. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Ich tupfte sie mit einem Stück Mull trocken.
    »Er hat sich bestimmt ein Atemloch gegraben – erstickt ist er also nicht«, murmelte er. »Keine erkennbaren Wunden … Missbildungen … äußerlichen Anzeichen von Traumata … Ah!« Sein Arm verharrte. Seine Schulter bewegte sich
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