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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See
Autoren: Danella Utta
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war mir ausgedörrt, und ich fühlte, wie es an meinem Körper klebrig niederrann. Und beim Niederblicken sah ich, wie sich mein Hemd rot färbte. Ich war getroffen – weit würde ich nicht mehr fahren können.
    Schließlich in einem langgestreckten Dorf, das auf einer Art Hochebene lag, gabelte sich die Straße. Ich hatte ihn verloren. Welche Richtung sollte ich fahren. Und mir war so schwindelig. Ich konnte nicht mehr weiter.
    Das Dorf lag verlassen in der Mittagsglut. Aber dort – da war eine Frau im Garten. Ich fuhr an den Zaun, rief sie an. Sie verstand mich nicht, verzweifelt suchte ich nach italienischen Worten.
    »Grande carrozza americana? Dove? Questa strada?«
    Endlich begriff sie, was ich wollte. Sie wies nach links. Ich wendete, fuhr die Straße, die abseits in die Berge führte. Hoffentlich stimmte die Richtung. Sonst war er gerettet. Die Straße war schmal, nicht asphaltiert. Ein besserer Feldweg. Nur daß sie nicht über Felder führte, sondern an Berghängen entlang, bergab in steilem Gefälle, um spitze Kurven herum.
    Rechts von mir ging es tief, tief hinab. Ringsum die schweigende Bergwelt. Ich blickte nicht hinunter und nicht hinauf. Nur auf die Straße, die vor meinen Augen tanzte, sich bog und sich unter mir zu spalten schien. Mein Hemd war jetzt ganz rot und klebte mir an der Brust, den Mund hatte ich weit geöffnet, auf meinen Lippen schmeckte ich ebenfalls Blut.
    Lange – lange hielt ich es nicht mehr aus. Und wußte ich denn, ob er auf dieser Straße war? Er konnte ebensogut abgebogen sein, irgendwo sich im Wald verborgen haben, und ich war an ihm vorbeigefahren. Und wenn ich ihn wirklich fand, ich konnte ja doch nichts tun. Ich würde umfallen und liegen bleiben.
    Aber dann sah ich ihn wieder. Einige Kehren unter mir, er fuhr in dem gleichen mörderischen Tempo wie ich. Aber ich sah auch, daß er schlechter vorwärts kam als ich.
    Mein kleiner Wagen nahm die spitzwinkligen Kurven leicht, sein großer Schlitten kam nur schwer herum, er mußte einige Male zurückstoßen. Das war mein Vorteil – das gab mir noch einmal die Kraft. Ich erhöhte das Tempo, ich kam ihm näher. Ich ließ die Hupe aufheulen, ließ den Finger drauf. Hörte mich denn niemand? Kam mir denn niemand zu Hilfe? Wo, zum Teufel, blieb die Polizei? War denn in diesen Schluchtern und Tälern keine lebende Seele außer uns?
    Doch. Da war sogar ein Dorf. Der Mann vor mir mußte es mit unvermindertem Tempo durchrast haben. Ich sah, wie die Leute auf der Straße standen und hinter ihm herschimpften. Ein Karren lag umgekippt im Wege, ich fuhr in einem wilden Bogen darum herum, jetzt drohten sie mir, begriffen aber wohl, daß es eine Verfolgung war.
    Sie mußten mich ja sehen, mein blutiges Hemd, das Blut in meinem Gesicht, das mir schon übers Kinn lief.
    Im Vorüberrasen sah ich, daß sie hier eine Art Markt aufbauten. Buden, Stände, viele Wagen, so wie oft in italienischen Städtchen Markt gehalten wurde. Darum auch die Leute auf der Straße.
    Aber jetzt wußte ich schon, daß ich ihn nicht erreichen würde. Ich konnte nicht mehr. Ich fuhr langsamer. Das Steuerrad war wie Gummi unter meinen Händen, es schien zu zerschmelzen, ich sah nichts mehr, bloß noch rote und schwarze Fetzen, dazwischen nur manchmal ein staubiges Stück der Straße.
    Der Markt wurde ihm zum Verhängnis. Die Wagen und Karren, die mühselig und schwerfällig den Berg heraufkeuchten. – In einer spitzen, unübersichtlichen Kurve, die er viel zu schnell nahm, so erzählten sie mir später, traf er mit so einem Wagen zusammen. Es war eine schwere Zugmaschine, sie zog mehrere Karren hinter sich her.
    Er prallte gegen die Maschine, sie schleuderte ihn zur Seite, zum Abgrund hin, es gab keine Böschung, keinen Halt. Sein Wagen kippte hinunter wie ein Stein.
    Ich sah das nicht. Ich hörte nur irgendwo einen fernen Knall. Aber da stand ich schon am Straßenrand, hatte den Wagen ausrollen lassen. Ich zog noch die Handbremse. Und dann sank ich bewußtlos über dem Steuerrad zusammen.
    Die verschiedenen Leute haben auch die verschiedensten Vorstellungen von ihrem Urlaub. Keiner, glaube ich, plant von vornherein, ihn in einem Krankenhausbett zu verbringen. Ich auch nicht. Man wird sich erinnern, daß ich sogar ziemlich konkrete Pläne gehabt hatte.
    Aber es war alles anders gekommen. Die schönsten Wochen des Sommers lag ich im Bett.
    Zunächst und sogar für eine ganz ansehnliche Zeit, nahm ich keinen Anteil an meiner Umwelt. Es ging mir nicht besonders. Und
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