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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge
Autoren: Julius Stettenheim
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wünschen, als den Beginn des ewigen Friedens, daher dem Schritt, den der Zar auf dieser Bahn gethan, das glänzendste Lob erteilen, und die vor allem den Krieg verabscheuen. Wenn nicht alle, so müßten doch wenigstens diese Ehepaare versuchen, in ihrem Hause mit dem Abrüsten zu beginnen, um dem ewigen Frieden freies Entree zu verschaffen. Sollte sich unter allen Gatten nicht ein Ehe-Zar finden, der ein Abrüstungsmanifest veröffentlicht und eine Friedenskonferenz zusammenruft? Alle die Herren, welche den Kundgebungen zur Friedenskonferenz beigetreten sind, sollten gleichzeitig eine Agitation gegen die Fortdauer der häuslichen Scenen beginnen, eine Agitatition, die der moderne Knigge sogar für wichtiger hält, als ihre Beteiligung an dem Kampf gegen den Krieg. Vielleicht auch findet sich eine Gattin, die ein Blatt gründet: Die Scenen nieder! das gewiß weiblicher und nützlicher wäre, als das Blatt: Die Waffen nieder!
    Jeder Sport wird übertrieben, nicht allein der eben erwähnte Scenensport, welcher eigentlich schon die geborene Übertreibung ist, weil er nicht einmal eines so großen Thieres wie der Mücke bedarf, um einen Elefanten daraus zu machen, sondern diesen Dickhäuter aus dem Nichts hervorstampft. Jeder andere Sport aber beginnt entweder aus einer Nützlichkeit oder aus einer Notwendigkeit heraus, um alsdann von seinen müßigen Anhängern übertrieben, verunstaltet, kompromittiert, lächerlich oder lästig, oder alles dies zugleich zu werden. Der moderne Knigge erinnert nur an das Rennen, das Sammeln, das Schwimmen, das Fußballspiel, das Bergsteigen, das Dichten, das Tanzen, das Knausern, das Süßholzraspeln, das Rauchen, das Zeitungslesen u. s. w. So ist natürlich auch das Radeln und zwar rascher als jeder andere Sport übertrieben worden, wenn man das
Vierundzwanzigstundenradeln
    noch eine Übertreibung nennen und ihm damit schmeicheln will, statt es als eine Verrücktheit zu bezeichnen.
    Will man einen Beweis für die Wahrheit des Spruchs »Ein Narr macht viele« geliefert haben, so suche man den Schauplatz einer solchen unbegreiflichen Narrheit auf, und man wird finden, daß man selbst die Zahl dieser vielen Narren vergrößert. Ist man allzu nachsichtig gegen sich selbst, so verzeiht man es sich, im anderen Fall nimmt man es sich dauernd übel. Man kann es sich aber nicht so übelnehmen, als einem dabei werden kann.
    Man sehe sich die Teilnehmer an einem solchen Dauerradeln jedenfalls etwas näher an, um vollständig gegen die Versuchung, Kollege derselben zu werden, geschützt zu sein.
    Um nicht mit zu verrohen, vergesse man alles rasch, was man in den betreffenden Radlerkreisen hört und sieht, auch versäume man gleichzeitig nicht, die Farbenblindheit der Behörden zu bewundern, welche jede Ausschreitung des Pöbels bestraft, aber das Dauerradeln duldet.
    Will man endlich einmal sehen, in welch unnützer Weise das für bessere Zwecke so gut zu verwendende schöne Geld aus dem Fenster geworfen wird, so wohne man der Auszahlung der Preise an die sogenannten Sieger bei, welche gewöhnlich ein anständiges Handwerk erlernt haben, es aber jetzt vorziehen, sich mit dem Zweirad herumzutreiben und von der Thorheit der Menschen zu leben.
    Verunglückt ein Dauerradler, so bezeichne man die Veranstalter der Dauerradlerei nicht als die Schuldigen. Man hat zwar, wenn man dies thut, das Richtige getroffen, aber man könnte doch wegen Beleidigung belangt und bestraft werden und würde obenein noch ausgelacht, was man ohnedies schon wird, weil man dem Unfug beigewohnt hat.
    Hat man auch sonst noch Überfluß an Zeit, so denke man darüber nach, wie es denn möglich ist, daß jemand, der nicht imstande wäre, einen ganzen Tag unausgesetzt etwas nützliches zu thun, einen ganzen Tag und eine ganze Nacht ganz unnützerweise herumradelt. Da dieses Nachdenken ebenso unnütz und überflüssig ist, so spreche man nicht darüber, um nicht in Einem Atemzuge mit dem Dauerradler zusammen genannt zu werden.
    Hat man noch niemals einen solchen Dauerradler gesehen, der sich nach Gebühr geschämt hatte, so wird man sich doppelt wundern, wenn man sehr vernünftigen Menschen begegnet, welche sich schämen, während des Sommers
keine Reise
    gemacht zu haben. Es giebt deren. Anstatt einzugestehen, daß sie die Heimat für die beste Sommerfrische oder für den besten Badeort halten, erweisen sie sich als von der allgemeinen Reisewut angesteckt, welche zwar nicht zum Ausbruch gekommen ist, aber sich als von ihr derart
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