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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge
Autoren: Julius Stettenheim
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Weinreisenden, denen auf der Reise und zwar nur auf der Reise und in allen Städten mit alleiniger Ausnahme der Stadt, in der sie wohnen, fortwährend Abenteuer begegnen, indem ihnen alle Frauenherzen zufliegen und infolgedessen alle Väter und Gatten mit geladenem Revolver nachstellen. Man glaubt ja bekanntlich solchen verteufelten Weinreisenden alles, weil man doch am Ende nicht dabei war, als ihnen die Abenteuer nicht begegneten, und weil man auch, wenn sie den Rücken drehen, ungläubig lächeln, den Kopf schütteln und die Achsel zucken kann. Auch Schauspieler und Sänger leiden an übermäßigem Glück bei Frauen. Ist man also kein Weinreisender und weder Schauspieler noch Sänger, welche sich das schöne Vorrecht einräumen, die tollsten Abenteuer nicht nur zu erzählen, sondern solche auch nicht zu erleben, so sei man recht vorsichtig. So erzähle man keinenfalls den Inhalt der französischen Possen, wie des »Schlafwagen-Kontrolleur« und anderer, als sei man selbst der Held der in diesen Possen dargestellten Vorgänge gewesen, da diese Bühnenwerke überall gegeben werden, unglaubliche Erlebnisse darstellen und man sich also leicht unheilbar blamieren kann. Auch unterlasse man es, sich als das Opfer des Chauvinismus und Deutschenhasses der Pariser darzustellen, daß man nur durch ein Wunder der Lynchjustiz entgangen und fast in einem blutigen Lied Déroulèdes dem unauslöschlichen Haß der Nation preisgegeben worden sei. Dagegen erzähle man, wenn man als Don Juan angestaunt sein will, ein Abenteuer, das diesem in der gleichnamigen Oper passiert: Man habe in Paris einer gewissen Zerline nachgestellt und einen Korb erhalten. Man kann dies auch aus anderen Hauptstädten erzählen, in denen eine Ausstellung stattfand, die man besuchte. Oder ähnliches, was glaubwürdig klingt. Auch daß man von einer Dame geplündert und von einem ihrer Freunde obenein durchgeprügelt und hinausgeworfen worden sei, wird gern geglaubt. Dagegen suche man für einen Roman, den man erlebt haben will und den der Hörer glauben soll, einen Dümmeren, den man aber nicht finden wird.
    Wer in Paris gewesen ist, erzählt in der Heimat gern, große Schriftsteller und Dichter auf den Boulevards und in den Theatern gesehen zu haben, oder ihnen vorgestellt zu sein. Hierbei ist Vorsicht anzuwenden, damit man nicht solche Berühmtheiten nenne, deren Träger längst tot sind. Victor Hugo und die beiden Dumas habe man unter keiner Bedingung gesehen. Die übrigen zu nennen, welche nicht mehr am Leben sind, ist nicht die Aufgabe des modernen Knigge. Nochmals: Vorsicht!
    Ist das Wetter ein echtes Sommerwetter, so wird man sich leicht erkälten, einerlei, ob man auf Reisen oder daheim sei. Hier merke man sich genau, daß es gegen den
Husten
    ungemein viele Mittel giebt. Man eile also in eine Apotheke, woselbst man sie sicher findet. Namentlich wird in dem angenehm duftenden Lokal der Apotheker selbst oder einer seiner Gehilfen die teureren Mittel als besonders unfehlbar empfehlen. Man kaufe heute eines, ein anderes morgen und übermorgen ein drittes, wodurch man in der Apotheke ein gerngesehener Gast wird, ein kleiner Trost dafür, daß keines dieser drei Mittel irgend etwas hilft.
    Man sage dies dem Apotheker, wodurch er nicht beleidigt wird, wenn man ein viertes Mittel kauft, welches gleichfalls nichts wert ist. Dies wiederholt man noch ein fünftes und sechstes Mal mit gleichem Erfolg, alsdann sage man dem Apotheker, daß das sechste Mittel geholfen habe, was ihn sehr ärgert. Wenn man ihm wahrheitsgetreu mitteilte, daß das sechste Mittel gleichfalls nicht geholfen habe, so ärgert er sich gleichfalls sehr, wenn man nicht wiederkommt.
    Man komme auch nicht wieder, sondern wende sich den Bonbons zu, zuvörderst denen von Benno von Donat, dann den anderen, denn man möchte doch kein Mittel unversucht lassen. Auch die Bonbons helfen nicht, aber sie sind den Universalmitteln der Apotheke vorzuziehen, da man sich durch die Bonbons bei Kindern, die sich daran den Magen und die Zähne verderben, beliebter macht, als bei den Eltern.
    Auch gegen den
Schnupfen
    giebt es viele Mittel, welche seine Existenz nicht gefährden. Will man dies konstatieren, so treffe man, wenn man den Schnupfen hat, viele Freunde, und jeder derselben wird ein ganz wirkungsloses Mittel, das als rasch helfend bezeichnet wird, namhaft machen. Wird dabei versichert, daß man den Schnupfen übermorgen los sei, so wende man das Mittel nicht an, da man den Schnupfen vielleicht schon
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