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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge
Autoren: Julius Stettenheim
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zwei Wege einschlagen: man mache entweder die Bekanntschaft einer Pariserin, oder nehme Unterricht bei einem Sprachlehrer. Jener Weg ist der teuerste und auch der unsicherste, dieser Weg ist der billigere und ebenso unsicher.
    Geht man mit einem Freunde in Paris spazieren, so sage man ihm fortwährend, daß man auf historischem Boden sich befinde, indem hier ein Straßenkampf, dort eine Hinrichtung stattgefunden haben. Es ist immer richtig, und die Bemerkung macht auf den Freund einen guten Eindruck.
    Will man wenig essen, durch den Preis aber den Eindruck empfangen, als habe man für Drei gespeist so diniere man in der Ausstellung.
    Will man Verrückte sehen, so besuche man aristokratische Gesellschaften und antworte auf die Frage, woher man sei: Aus St. Petersburg. Sofort wird man auf Händen getragen und besser bewirtet, als die Anderen.
    Man werfe nicht leichtsinnig mit dem Gelde, sondern drehe jedes Zwanzigfrancstück, bevor man es ausgiebt, erst dreimal in der Hand um. Es hilft aber wahrscheinlich nichts.
    Hat man keine Lust, den Ehebruch darstellen zu sehen, so gehe man nicht ins Theater.
    Will man einen klaren Begriff von der Dauer der Ewigkeit erhalten, so freue man sich, die Bekanntschaft einer Pariserin zu machen, von der man sofort den Eid ewiger Treue empfängt. Geschieht dies mittags, so weiß man schon abends nach 10 Uhr, wie lange die Ewigkeit gedauert hat.
    Da die Franzosen als die Wirte zu betrachten sind, bei denen man während der Weltausstellung zu Gast ist, so verletze man sie auch da nicht, wo dies schwer zu vermeiden erscheint. So versichere man in der deutschen Ausstellung nicht, daß die Meister der ausgestellten deutschen Kunstwerke geborene Deutsche sind, wenn die anwesenden Franzosen selbstverständlich erklären, sie seien Franzosen, weil sämtliche Künstler Franzosen sind. Man entschuldige sich, gebe es zu und freue sich, so gut davongekommen zu sein.
    In einer befreundeten Familie bewundere man auch die schönste Pendule nicht, wenn sie nicht befürchten soll, man wolle sie stehlen, obschon sich nichts weniger zum Mitnehmen eignet, als eine Pendule. Aber seit dem Jahre 1870 glauben die Franzosen, daß sich wenige Wertgegenstände so leicht stehlen lassen wie Pendulen und am leichtesten sich in Tornistern transportieren lassen.
    Will man seine Freunde, welche den Eiffelturm bestiegen haben, nicht kränken, so erzähle man ihnen, daß man gleichfalls hinaufgestiegen sei, auch wenn man es unterlassen haben sollte. Denn es ärgert sie, daß man vernünftiger gewesen ist und sich dieser Strapaze nicht unterzogen hat.
    Hat man das Begehren, als perfekter Cancantänzer nach Hause zu kommen, so gehe man anstatt auf einen öffentlichen Ball in den
Jardin des plantes
und sehe alles den Affen ab. Diese beschämen in dieser Kunst jeden Pariser.
    Macht ein Franzose große Worte, so versuche man nicht, größere zu machen, weil dies unmöglich ist.
    Will man einem Pariser eine Freude machen, so kaufe man in seiner Gesellschaft in der Weltausstellung eine Cigarrenspitze als Andenken an Paris mit dem Bemerken, man wolle immer an die Spitze der Civilisation erinnert sein.
    Man finde nicht, daß auch Paris seine Mängel habe, wie jede andere Stadt. Man finde lieber, daß alle Mohren weiß sind.
    Will man seine Familie und Freunde nicht betrügen, so achte man darauf, daß man in der Weltausstellung keine Geschenke für sie kaufe, die deutsches Fabrikat und mit französischer Etiquette versehen sind. Da sich dies aber schwer erkennen läßt, so kaufe man lieber nichts.
    Ist man ohne Gattin in Paris und will ihr eine Freude machen, so schreibe man ihr, man lebe trotz der Ausstellung sehr still und zurückgezogen. Da sie darüber ungläubig lächelt oder lacht, so hat man ihr also eine Freude gemacht.
    Will man in der Heimat etwas erzählen, was niemand glaubt, so berichte man, man sei trotz der in Paris herrschenden Teuerung dort nicht nur mit dem Gelde ausgekommen, sondern habe noch eine namhafte Summe wieder mitgebracht. Es ist dies zur Befestigung des Rufes der Solidität, dessen man sich ohne Grund erfreut, zwar sehr klug erdacht, aber geglaubt wird es trotzdem nicht.
    Selbstverständlich hat man
Abenteuer
    zu erzählen, welche aber meist so ungeschickte Erfindungen darstellen, daß sie nicht nur nicht geglaubt werden, sondern daß der Erzähler auch als ein unverschämter Aufschneider bezeichnet wird. Dies ist zu vermeiden. Es giebt hervorragende Erscheinungen in der Männerwelt, z. B. die
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