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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger
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man Zugeständnisse machen musste. Er verabscheute jeglichesTöten und Abschlachten, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass manchmal nur die Gewalt blieb - und heute war so ein Tag.
    »Wenn du zurücktreten willst«, sagte Judith, »würde ich dir keinen Vorwurf machen. August ist voller Heimtücke und...««
    Hartmann griff nach ihren gefesselten Händen und schaute ihr liebevoll in die Augen. »Ich weiß schon lange,
dass ich ohne dich nicht mehr sein will. Wenn ich August unterliege, wird ihnen das als Beweis dienen, dass du gelogen hast, und wir werden uns im himmlischen Jerusalem wiedersehen. Aber wenn ich siege, wird uns niemand mehr trennen können.«
    »August würde keinen Moment zögern, um dich zu töten«, sagte Judith. »Wenn du schon gegen ihn antrittst, dann sei ohne Gnade.«
    »Ich verspreche es dir!«
    Zahlreiche Zuschauer hatten sich auf dem Kampfplatz, der durch Pflöcke und Seile begrenzt wurde, eingefunden. Er maß zwanzig mal zwanzig Schritte und hatte einen ebenen Untergrund. August und Hartmann nahmen in der Mitte Aufstellung. Die Entfernung zwischen ihnen betrug drei Pferdelängen. Den Dolch verstauten sie im Gürtel; den Schild band man ihnen an den linken Unterarm; das Schwert gab man ihnen in die rechte Hand.
    Der Marschall stellte sich hinter Hartmann und massierte ihm den Nacken. »Erinnerst du dich noch, wie du gegen Friedrich den Schwarzen gekämpft hast?«, raunte er ihm ins Ohr. »Damals hast du auf deine Schnelligkeit vertraut und ihn übertölpelt. Das könnte auch heute die richtige Taktik sein. Lass dich nicht auf einen Schlagabtausch ein. Mit wenigen Hieben könnte August deinen Schild zertrümmern und du wärest schutzlos. Bewege dich so flink, wie du kannst, und biete ihm keine Angriffsfläche. Weiche aus, bis du eine Lücke gefunden hast, und dann stich zu.«
    Der Herzog baute sich zwischen den Kämpfern auf und verkündete die Regeln: »Der Kampf beginnt beim Schall der Posaune. Gekämpft wird bis zur Niederlage eines
Mannes. Als besiegt gilt, wer tot oder kampfunfähig ist, wer über die Begrenzung des Kampfplatzes ausweicht oder wer sich für besiegt erklärt. Ist der unterlegene Mann noch am Leben, so ist er der Strafe zuzuführen, die für das vorgeworfene Delikt angedroht wurde. Das Gleiche gilt für Frauen, die sich von einem Kämpfer vertreten ließen. Möge Gott die ganze Wahrheit offenbaren.«
    Hartmann konzentrierte sich auf die vor ihm liegende Aufgabe. Der Marschall hatte Recht: Einem längeren Schlagabtausch würde er nicht standhalten. In seinem Zustand fehlten ihm die Kraft und die Ausdauer. Deshalb musste er schnell und unerbittlich eine Entscheidung herbeiführen - möglicherweise hatte er nur einen Versuch, um diesen Kampf zu gewinnen. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er beobachtete genau, wie der Herzog sich entfernte und August sich zu seinem Kameraden umdrehte, einen Scherz zum Besten gab und alle dröhnend loslachten; wie der Herzog dem Blechbläser ein Handzeichen gab, wie August ihn grimmig anstarrte und eine Beleidigung bellte, wie der Blechbläser das Mundstück an die Lippen setzte und in die Posaune blies. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Hartmann nicht gewusst, wie er den Kampf führen würde. Er hatte ganz auf seinen Instinkt vertraut und plötzlich sah er den Verlauf ganz deutlich vor sich.
    Als das Signal ertönte, geschah alles so schnell, dass sich einige Zuschauer die Ereignisse hinterher schildern lassen mussten, weil sie für einen Moment abgelenkt gewesen waren. Hartmann ließ das Schwert fallen, überwand die Distanz in wenigen Schritten und drückte sich kraftvoll vom Boden ab. Im Sprung lenkte er das gegnerische
Schwert seitlich ab, zog den Dolch aus dem Gürtel und prallte auf Augusts linke Flanke. Mit aller Kraft stieß er zu und konnte spüren, wie die Klinge an den harten Rippen vorbeikratzte und schließlich bis zum Heft in das weiche Gewebe des Herzens drang. Der Marktgeschworene riss die Augen auf und schnappte mit dem Mund, als wollte er noch etwas sagen. Zwei taumelnde Schritte machte er noch nach vorne, dann fiel ihm das Schwert aus der Hand und er schlug der Länge nach auf den trockenen Grund. Rings um seinen gedrungen Leib stäubte eine bräunliche Wolke auf. Es war Augusts letztes Lebenszeichen. Der herbeigerufene Gotteskampf war in wenigen Augenblicken entschieden worden.
    Über den Platz senkte sich eine Stille, wie sie die Zuschauer immer ergriff, wenn sie Zeugen davon wurden, wie schnell sich die
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