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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger
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dritter!«, sagte der Marschall.
    Zu den drei Kreuzrittern gesellten sich die beiden Kirchdiener von Wiehre, der gesamte Lepraausschuss, Judiths Vater, zahlreiche Bauern aus Aue und eine große Anzahl Freiburger Bürger, denen sie in der Not beigestanden hatte.
    »Mir will scheinen«, sagte da der Herzog, »dass Judith ein hohes Ansehen genießt, aber auch August wurde
mir als vorbildlicher Bürger geschildert. Er nahm sogar an mehreren meiner Festessen teil. Deshalb soll er die Gelegenheit bekommen, auf die Vorwürfe etwas zu entgegnen.«

10.
    August hatte der Rede gelassen zugehört und sagte nun: »Ich habe es nicht nötig, meine Leistungen aufzuzählen, um Euch in Erinnerung zu rufen, dass ich ein Mann von Ehre bin. Noch vor einem Monat wollte ich meine Ehefrau vor dem Richtschwert retten. Und nun wird mir mein Großmut mit Lug und Betrug gedankt! Damals konnte ich nicht ahnen, was sie und ihr Liebhaber aushecken würden. Ich konnte nicht wissen, wie sehr sie die Wahrheit verdrehen würden, um ihr sündiges Treiben fortzusetzen. Heute will mir scheinen, dass ich zum ersten Mal in das wahre Antlitz meiner Ehefrau blicke. Deshalb schmerzt es mich auch nicht, wenn ich meinen Vorwurf bekräftige und schwöre: Mit eigenen Augen sah ich, wie sie das Gift in den Brotkuchenteig mengte. Sie - und sonst niemand - ist die hinterhältige Mörderin des Spitalvorstehers von Wiehre.«Auf seinen Wink hin traten acht angesehene Kaufleute und Handwerker vor, die seinen Worten als Eideshelfer Glaubwürdigkeit verliehen.
    Angriffslustig blickte August zu Hartmann hinüber. Er hätte dem Dichter niemals so viel Schneid zugetraut, dass er die Situation so zuspitzen würde, aber es kam ihm durchaus gelegen. Endlich konnte er dem Geschmeiß von der Adlerburg die Demütigungen heimzahlen. Endlich konnte er beenden, was sein Vater vor so vielen Jahren
begonnen hatte. Ihm blieb nur schleierhaft, wie dieser ausgemergelte Knochensack annehmen konnte, dass er auch nur die geringste Chance gegen ihn hätte. Wenn sich Hartmann nur ein bisschen umgehört hätte, wäre ihm an jeder Hausecke erzählt worden, dass er seine Schwertübungen niemals ausließ und täglich eine Schüssel mit Fleisch aß. Er war beinahe doppelt so schwer und ihm an Kräften weit überlegen. Hartmann litt hingegen unter dem tückischen Sumpffieber, so viel war ihm klar. Man musste nur den unnatürlichen Glanz seiner Augen sehen, um zu erkennen, wie ihn die Hitze von innen aufzehrte. Wenn es zum Äußersten käme, würde er ihn wie ein Insekt zerquetschen.
    »Der Marktgeschworene August und die Heilerin Judith konnten beide durch Eideshelfer versichern, dass sie kein Unrecht begangen haben«, sagte der Herzog. »Einer von ihnen sagt jedoch die Unwahrheit. Deshalb muss eine höhere Instanz angerufen werden, um den Lügner zu entlarven. Nach geltendem Recht kann August als Bürger der Stadt Freiburg Herausforderungen zum Gotteskampf ablehnen. Ihm steht allerdings das Privileg zu, selber Herausforderungen auszusprechen. So frage ich dich, August: Willst du für klare Verhältnisse sorgen, indem du gegen Judiths Vertreter antrittst?«
    »Um meinen Ruf wiederherzustellen, bleibt mir nichts anderes übrig«, sagte August. »Die Wahl der Waffen überlasse ich ihm.«
    »Ich wähle Schwert, Schild und Dolch«, erwiderte Hartmann.
    »So bestimme ich«, sagte der Herzog, »dass sich die Kontrahenten sogleich beim Richtplatz einzufinden haben.«

11.
    Auf dem Weg dorthin erzählte Agnes Hartmann, dass August seinen Vater getötet hätte. Natürlich wollte sie ihm einen weiteren Grund zum Kampf liefern und seinen Zorn schüren, aber Hartmann konnte die Kunde kaum verarbeiten. In ihm war kein Hass, in ihm war auch keine Wut, er war vollkommen ruhig und wusste nur einmal mehr um die Notwendigkeit seines Tuns.
    Er blickte in den blauen Himmel, der ihm in seiner unendlichen Weite immer so verheißungsvoll erschienen war. Er sah den Vögeln zu, die ihre Schwingen ausbreiteten und über der Landschaft dahinsegelten. Er sah auf das goldgelbe Korn, das sich sanft im Wind wiegte, als würde es einer geheimen Melodie folgen. In der Natur steckte so viel Schönheit und Übereinstimmung und trotzdem war das Leben der Menschen ein ständiges Ringen. Überall stieß man auf widerstreitende Interessen.
    Hartmann war der festen Überzeugung, dass ein Mann alle Möglichkeiten ausschöpfen musste, ehe er zu den Waffen greifen durfte. Eine friedliche Einigung war einem Kampf stets vorzuziehen, auch wenn
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