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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger
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immer noch Zähringer, wir sind immer noch die Männer unseres alten Herrn. Kommt mit!... Auf sie!... AUF SIE!«

5.
    Die fehlende Gesellschaft, das stetig tropfende Wasser und der Mangel an Nahrung bewirkten, dass Judith nicht mehr zwischen Traum, Tagtraum und Wirklichkeit unterscheiden konnte. Die Grenzen verwischten so stark, dass sie nicht wusste, ob sie sich die Begegnungen mit Hartmann nur einbildete oder ob sie sich tatsächlich zutrugen. Im Grunde war es auch egal, denn die Treffen waren so schön. Gemeinsam planten sie die Zukunft und schritten auch zur Tat. An einem Fluss, der genügend Wasser zum Baden, zum Trinken und für den Ackerbau führte, errichteten sie ein Holzhaus. Das Land war fruchtbar und warf genügend Getreide ab, um ihren Hunger zu stillen und einen Vorrat anzulegen. Ihre Liebe segnete ihren Leib mit einer großen Nachkommenschaft. Die gemeinsamen Söhne erbten die Kraft seines Verstandes und die Töchter waren voller tätiger Nächstenliebe für die Schwachen und zeigten großes Interesse an der Heilkunst. Wenn die Kinder schliefen, spazierten sie am Flussufer entlang. Das Schilf wiegte sich im Wind, die Frösche quakten und die Abendröte legte sich über das Land. Hartmann erkundigte sich nach ihrem Kräutergarten und sie wollte wissen, wann er das neue Lied fertiggestellt hätte... Judith ließ sich im Strom ihrer Sehnsüchte treiben und entfernte sich immer weiter von der Wirklichkeit.

6.
    Agnes hatte von dem Prozess und der Entscheidung des Blutgerichts gehört. Von Augusts Ausführungen glaubte sie kein einziges Wort. Sie war davon überzeugt, dass der Marktgeschworene log, sobald er den Mund auftat, und sie sehnte den Tag herbei, an dem er endlich zur Rechenschaft gezogen werden würde.
    Inständig betete sie für die Heimkehr ihres Sohnes Hartmann. Als Gotteskrieger konnte er möglicherweise Einfluss auf den Herzog ausüben. Sie wusste zwar nicht, wie er Judiths Entlassung erwirken sollte, aber sie war davon überzeugt, dass Gefühle Berge versetzen konnten. Wenn es einen Weg gab, sie vor dem Richtschwert zu retten, würde Hartmann ihn finden.
     
     
    Eines Nachmittags schleppte sich ein Kreuzritter in Begleitung zweier Kameraden auf den Hof. Die Tunika hing ihm in Fetzen vom Leib; die strohblonden Haare fielen auf die Schultern und der helle Bart reichte bis zur Brust. Inmitten dieses krausen Gestrüpps leuchteten zwei kristallblaue Augen, die ihr bekannt vorkamen.
    »Ich grüße dich, Mutter«, sagte der Mann. »Das sind der Marschall und Burkhard von Schlatt.«
    Erst an dem rauen Tonfall erkannte sie ihren Sohn wieder. Agnes wollte ihn in die Arme schließen, wollte ihm sagen, wie erleichtert und glücklich sie war, aber ein unüberwindbarer Graben hielt sie auf Abstand. Trotz seines geschwächten Zustandes strahlte ihr Sohn eine Düsternis aus, wie sie die meisten Soldaten befiel, wenn sie zu lange in die hässliche Fratze des Todes geschaut hatten. Auch
ihr Ehemann, Dankwart, hatte sich in diesem Zustand befunden, wenn er von einer Schlacht heimgekehrt war. Sie wusste, dass sie jetzt nichts tun konnte, aber sie wusste auch, dass die Zeit die unsichtbaren Wunden heilen würde.
    Agnes begrüßte die Männer und kam schnell auf Judiths Gefangennahme zu sprechen. Hartmann blieb ruhig und stellte mehrere Fragen. Dann setzte er sich mit seinen Kameraden auf die Erde und beratschlagte die Situation. Nach einer Weile erhob er sich wieder und sprach: »Wir ziehen sofort weiter nach Freiburg! Zuerst müssen wir in Erfahrung bringen, wie viel Zeit ihr noch bleibt.«

7.
    Im Mondschein erreichten die drei Kreuzritter die Burg. DieTorposten teilten ihnen mit, dass der Herzog von Zähringen morgen zurückkehren würde. Und vorher würde er mit Sicherheit kein Urteil fällen.
    Sogleich begaben sie sich weiter zur Stadtwache, wo sich herausstellte, dass der Marschall die Büttel ausgebildet hatte. Er schwelgte mit ihnen in Soldatenerinnerungen, bis er sie davon überzeugen konnte, Hartmann für die restliche Dauer der Nacht ins Verlies zu sperren.
    Als die Gittertür hinter Hartmann ins Schloss fiel und sich die Fackeln auf dem Gang entfernten, brauchte er eine Weile, ehe er in einer Ecke eine Gestalt ausmachte. Über knisterndes Stroh ging er hinüber und sagte: »Judith, bist du das?«
    »Nächstes Jahr will ich anderen Dünger verwenden«, erwiderte sie. »Die Bohnen waren viel zu klein.«
    Die Gefangenschaft hatte sie schwer gezeichnet. Ihr
Antlitz wirkte so fahl, als wäre sie nicht
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