Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
und zwei Bäder hatte, eine überdimensionale offene Küche mit einem zentralen Kochblock, den er über alles liebte, außerdem ein integriertes Ballettstudio, zwei Umkleideräume und vier Duschen. Und jetzt glaubte er, sich in dieser Absteige wohlfühlen zu können.
    »Gut«, meinte Sofia, »das freut mich. Dann hole ich Ihnen jetzt noch ein paar Handtücher und Bettwäsche. Wir waren ja nicht auf Gäste eingerichtet.«
    »Nein, natürlich nicht. Machen Sie sich bloß keine Umstände.«
    Jonathan spürte, dass er unkontrolliert anfing zu zittern. Und daher fiel ihm auch jetzt erst auf, dass es in der Wohnung nur unwesentlich wärmer war als draußen.
    »Entschuldigen Sie, eine Frage habe ich noch«, sagte er, als Sofia bereits dabei war, die Wohnung zu verlassen. »Gibt es in der großen Wohnung eine Heizung?«
    Sofia blieb stehen. »Nein. Tut mir leid. Nur den Kamin. Aber wenn Sie ihn gut anheizen, ist es warm genug. Die Winter in der Toskana sind nicht so streng, und Schnee haben wir meist nur wenige Tage im Jahr. Wenn Sie wollen, kommen Sie mit zum Schuppen. Dann gebe ich Ihnen einen Korb voll Holz.«
     
    Zwanzig Minuten später kam er mit leicht muffiger Bettwäsche, zwei klammen und steinharten Handtüchern, dem Wohnungsschlüssel und einem Korb voller Holz und getrockneter Erika zum Anzünden zurück in die Wohnung. Er verschloss die Tür, stellte den Korb ab und öffnete das Fenster. Aber als er die kalte Nachtluft spürte, die hereinzog, schloss er es sofort wieder.
    Unter dem Fenster stand eine kleine Kommode. Die Schubladen klemmten derart, dass er sie nur mit Gewalt aufreißen konnte, wobei die Kommode durch die Gegend rutschte. Er durchsuchte sie, fand aber nur eine Plastiktischdecke mit Zitronenmuster und zwei kleine Kerzenstummel. Jonathan überlegte, ob er Feuer machen sollte, aber die Vorstellung, jetzt noch ein oder zwei Stunden untätig am Kamin zu sitzen, bis es im Zimmer vielleicht um zwei oder drei Grad wärmer geworden war, reizte ihn nicht. Lieber wollte er gleich ins Bett gehen und schlafen, um dieses Zimmer und die Kälte zu vergessen.
    Im Badezimmer betätigte er zuerst den Heißwasserhahn. Braune Soße floss ins Waschbecken, und das Wasser blieb kalt. Das geht nicht, dachte er, das geht alles gar nicht, das halte ich nicht aus. Morgen früh fahre ich weiter. Sehr viel südlicher, vielleicht bis nach Sizilien. Ein Zimmer wie dieses finde ich überall, aber vielleicht ist es dort ein bisschen wärmer.
    Jonathan ließ das Wasser einige Minuten laufen, versuchte seinen Ekel zu überwinden und trank schließlich mehrere Schluck Wasser aus der hohlen Hand. Dann begann er das Bett zu beziehen. Und es war, wie er befürchtet hatte: Das Bettzeug war feucht und ebenso die Bezüge.
    Er löschte das Licht, zog nur die Jeans aus, behielt den Pullover an und kroch in das kalte, beinah nasse Bett.
     
    Stunden vergingen, und Jonathan lag wach. Die Kälte saß ihm in den Knochen und hinderte ihn daran, einzuschlafen.
    Jana hatte auf seine SMS nicht geantwortet. Also war es ihr wirklich egal. Sie vertraute darauf, dass er irgendwann reumütig zu ihr zurückkehren würde.
    In diesem Moment gab es ein fürchterliches Poltern und Krachen. Jonathan schreckte hoch, starrte in die Dunkelheit und versuchte sich daran zu erinnern, wo der Lichtschalter war. Aber die kalte Zimmerluft zog wie ein eisiger Wind um seine Schultern, und er legte sich wieder hin und versuchte, die Bettdecke unter seinem Körper festzustecken, damit kein Luftzug mehr hindurchkriechen konnte. Warum sollte er auch Licht machen? In seinem Zimmer war alles in Ordnung. Wahrscheinlich war direkt über ihm ein Möbelstück umgekippt oder irgendjemand aus dem Bett gefallen.
    Auf seiner Armbanduhr sah er, dass es jetzt halb drei war. Normalerweise fielen um diese Zeit nicht ohne Grund Möbel um, das Geräusch beunruhigte ihn, weil es so unerklärlich und absurd war, aber dann zwang er sich, nicht länger darüber nachzudenken.
    Nur noch ein paar Stunden, dann würde er Riccardo zwanzig Euro in die Hand drücken und diese Räuberhöhle ein für alle Mal verlassen. Das Ende dieses Alptraums war absehbar.
    Wehmütig dachte er an sein warmes, luxuriöses Haus, sein großes bequemes Bett und das fantastische Badezimmer, das sie erst vor anderthalb Jahren eingebaut hatten. Um sich abzulenken und sich etwas Gutes zu tun. Sie wollten sich gegenseitig beschenken, wollten einen Raum völlig neu gestalten, in dem es ihnen vielleicht gelang, die Seele baumeln
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher