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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman.
Autoren: Stanislaw Lem
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sich – ein Rechteck aus Licht.
    Dieser neue Ort glich dem Tresorraum einer Bank oder eher der Vorstellung von einem Tresor, wie ihn fleißige Kriminalromanleser haben. Gewaltige Stahltüren schlugen hinter mir und meinem Führer zu und fielen mit ihren mächtigen Riegelklauen ins Schloß. Der Raum war mit einer grellen, nackten Birne erleuchtet. Die Wände bestanden aus regelmäßigen Reihen von Stahltüren mit massiven Griffen und unzähligen Schlössern. Das einzige Mobiliar waren die auf dem Betonboden stehenden niedrigen zwei Stühle, ein Hocker und ein kleines Tischchen. Sonderbar daran war, daß sie alle aus Stahl waren. Ich bemerkte das erst, als mir der Fahrer den Hocker mit dem Fuß zuschob: Er gab einen charakteristischen Klang von sich. Ich setzte mich. Der Fahrer trat zum Tisch, hob die Platte hoch und nahm aus dem so freigelegten Fach einige Konservenbüchsen und einen langen weißen Brotlaib. Dann holte er ein großes Taschenmesser aus der Tasche, suchte die passende Klinge, öffnete eine Büchse und schnitt danach mit demselben Messer Brot. Schließlich begann er wieder in seinen Taschen zu kramen, bis er den Schlüssel zu meinen Handschellen gefunden hatte – als ich schon dachte, er würde mich gefesselt füttern. Dann setzte er sich mir gegenüber und verfolgte meine ziemlich eintönige Tätigkeit. Diese Meditation dauerte an, bis die Büchse ganz geleert war. Ich sah die nächste an – es war Hummer (ich mag Hummer) – und streckte die Hand nach dem Taschenmesser aus. Der Fahrer machte sein massives braunes Gesicht noch etwas breiter, was ein Lächeln bedeuten sollte, schüttelte verneinend den Kopf, ergriff das Taschenmesser und öffnete selbst die Büchse.
    Er hat Angst vor mir! dachte ich zufrieden, denn er wollte sichtlich doppelt so viel wie ich. Als die Büchse leer war und ich sie mit Brot auswischte, fragte ich:
    »Prohibition?«
    Der Fahrer machte zum zweiten Mal seinen Mund breit, jetzt noch etwas breiter, hob die Tischplatte auf und holte eine Flasche vorzüglichen Cognac heraus. Ich glaubte, daß wir anstoßen würden, aber er löste nur den Korken und stellte einen Eierbecher vor mich hin, den ich aber ablehnte. Eine reichliche Portion Cognac brachte meine Hirnmaschinerie auf Touren: Es schien mir, als befände ich mich in einer überaus lustigen Lage, und ich wollte gerade nach einer Unterkunft in diesem miesen Hotel fragen, als über meinem Kopf ein kurzes tiefes Summen ertönte, das sich dreimal wiederholte. Der Fahrer zuckte leicht zusammen, nahm die Handschellen und sagte: »Gehen wir.«
    Ich zögerte. Er trat einen Schritt zurück und berührte die Hosentasche, die verdächtig ausgebeult war.
    »Noc Hercules«, sagte ich laut, lächelte und reichte ihm die Hände. Er lächelte ebenfalls, wenn auch etwas schief, öffnete die Tür, und wir stürzten in die auf der anderen Seite herrschende schwarze Brühe. Jetzt gingen wir einen anderen Weg, denn bald faßte er mich am Arm und zerrte daran. Das kam gerade recht, denn sonst wäre ich über die Treppe gestürzt. Wir gingen die Treppe hinauf, ich sah ein blasses blaues Licht, das stärker wurde, bis wir eine Stufe zu einem breiten Korridor betraten, der keinerlei Fenster aufwies. In die Wände waren quadratische matte Lampen eingelassen, die ihn erhellten. Der Korridor endete an einer großen Tür, die das ganze Korridorprofil ausfüllte. Als wir zu dieser Tür kamen, stieß mich der Fahrer nach vorn – die Tür öffnete sich von selbst und schloß sich wieder hinter mir. Meinem ersten Eindruck nach befand ich mich in einer riesigen Bibliothek. Die bis zur Decke reichenden Wandregale waren mit Büchern vollgestellt. Davor standen Leitern, Tischchen mit Lampen, Sessel, und in der Mitte ein kleiner runder Tisch, an dem die mir schon bekannten Männer saßen. Einer von ihnen, der nur einmal mit mir gesprochen hatte, ein hochgewachsener, schmächtiger Mann mit grauen Schläfen, trug ein Lorgnon mit glänzenden Gläsern. Ich trat näher.
    »Wir haben gerade von Ihnen gesprochen«, sagte er endlich langsam und ziemlich leise. Er sprach, als sei er recht müde. Ich verbeugte mich kaum merklich und wartete.
    »Wir wollen Ihnen glauben ... die Untersuchungen haben ergeben, daß Sie aller Wahrscheinlichkeit nach die Wahrheit gesagt haben.«
    Ich sah ihn erstaunt an. Welche Untersuchungen? Meinte er das Abendessen mit dem schweigenden Fahrer? Ich mußte sie also für ziemlich nachlässig halten.
    Er schien mein Staunen gar nicht zu
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