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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita
Autoren: Michail Bulgakow
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den Teich quadratisch säumten, und es war zu erkennen, daß er diese Gegend zum erstenmal sah und daß sie ihn interessierte. Sein Blick verweilte auf den oberen Etagen, deren Fenster blendend hell die für immer aus Berlioz' Augen entschwindende Sonne reflektierten, dann glitt er tiefer, dahin, wo die Fenster schon abendlich dunkelten; der Mann lächelte nachsichtig, kniff die Augen ein, legte die Hände auf den Stockknauf und das Kinn auf die Hände.
    "Du, Iwan, hast zum Beispiel die Geburt von Jesus, dem Sohn Gottes, sehr schön und satirisch dargestellt", sagte Berlioz, "aber das Pikante ist doch, daß vor Jesus schon eine ganze Reihe von Gottessöhnen geboren wurden, etwa der phrygische Attis, doch nicht einer von ihnen wurde geboren, und nicht einer von ihnen hat gelebt, auch Jesus nicht, und du hättest statt seiner Geburt oder meinetwegen statt der Anbetung der Könige lieber die dummen Gerüchte über diese Anbetung darstellen sollen. In deinem Poem kommt ja heraus, daß er tatsächlich geboren wurde!"
    Besdomny machte einen Versuch, den peinigenden Schluckauf loszuwerden — er hielt den Atem an, was jedoch noch qualvolleres und lauteres Hicken zur Folge hatte. In diesem Moment unterbrach Berlioz seine Ausführungen, denn der Ausländer hatte sich plötzlich erhoben und trat auf die beiden Schriftsteller zu. Sie sahen ihn verwundert an.
    "Entschuldigen Sie bitte", sagte er mit fremdländischem Akzent, doch ohne die Worte zu verstümmeln, "wenn ich, ohne Sie zu kennen, mir die Freiheit nehme .. . Aber der Gegenstand Ihres wissenschaftlichen Gesprächs ist so interessant, daß ..." Höflich zog er die Baskenmütze, und den Freunden blieb nichts anderes übrig, als sich zu erheben und eine Verbeugung zu machen.
    Nein, er ist wohl ein Franzose, dachte Berlioz. Ein Pole, dachte Besdomny.
    Es sei hinzugefügt, daß der Ausländer von den ersten Worten an dem Lyriker unsympathisch war, während er Berlioz eher gefiel, das heißt nicht richtig gefiel, sondern, wie soll ich's ausdrücken ... fesselte, so vielleicht.
    "Darf ich mich setzen?" bat der Ausländer höflich. Die Freunde rückten unwillkürlich auseinander, der Ausländer setzte sich geschickt zwischen sie und trat sofort in das Gespräch ein. "Wenn ich mich nicht verhört habe, geruhten Sie zu sagen, daß Jesus überhaupt nicht auf der Welt war?" fragte er und wandte sein grünes linkes Auge Berlioz zu.
    ,Ja, ganz recht", antwortete Berlioz höflich. "Genau das habe ich gesagt."
    "Ach, wie interessant!" rief der Ausländer.
    Was zum Donnerwetter will er eigentlich? dachte Besdomny und runzelte die Stirn.
    "Und Sie, waren Sie derselben Meinung wie Ihr Gesprächspartner?" erkundigte sich der Fremde und wandte sich nach rechts an Besdomny.
    "Voll und völlig!" bejahte der Lyriker, der sich gerne bildhaft und verschnörkelt ausdrückte.
    "I Vappierend!" rief der Zudringling, blickte sich wie ein Dieb um und sagte, die tiefe Stimme dämpfend: "Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit, aber habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie auch nicht an Gott glauben?" Er machte erschrockene Augen und fügte hinzu: "Ich schwöre Ihnen, daß ich's niemandem sagen werde!"
    "Ganz recht, wir glauben nicht an Gott", antwortete Berlioz und belächelte die Furcht des Touristen, "aber darüber kann man ganz frei sprechen."
    Der Ausländer lehnte sich auf der Bank zurück und fragte, wobei seine Stimme vor Neugier überkippte: "Sie sind Atheisten?"
    ,Ja, wir sind Atheisten", antwortete Berlioz lächelnd, und Besdomny dachte verdrossen: Was der uns löchert, der ausländische Fatzke!
    "Oh, wie entzückend!" rief der seltsame Ausländer und wandte den Kopf bald dem einen, bald dem andern Schriftsteller zu.
    "In unserem Land verblüfft Atheismus keinen", sagte Berlioz mit diplomatischer Höflichkeit. "Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat Bewußtsein und glaubt schon lange nicht mehr an die Märchen über Gott."
    Da leistete sich der Ausländer folgendes Ding: er stand auf, drückte dem verdutzten Redakteur die Hand und sprach dazu die Worte:
    "Gestatten Sie mir, Ihnen von ganzem Herzen zu danken!" "Wofür danken Sie ihm denn?" erkundigte sich Besdomny und klapperte mit den Augen.
    "Für die sehr wichtige Information, die mir als Fremdem ungemein interessant ist", erläuterte der kauzige Ausländer und hob bedeutsam den Finger.
    Die wichtige Information schien ihn wirklich stark beeindruckt zu haben, denn er ließ den Blick erschrocken über die Häuser gleiten, als fürchte er,
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