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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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spürte die Hitze ebenfalls. Auch die gelegentlich stockenden Bilder auf dem Monitor trugen nicht dazu bei, die Spannung zu lindern. Die Aufnahmen litten unter dem langen Übertragungsweg von dem Militärsatelliten, der in zehntausend Kilometer Höhe über dem staubigen Delhi stand.
    »Haltet ihn in Bewegung«, murmelte Straker in den Raum hinein, an niemanden im Speziellen gerichtet, und knöpfte sich den Kragen auf. Am Ende des Tempelwegs hatte der Präsident einen Moment zu lange für die Fernsehkameras angehalten.
    »Wir brauchen diese Bilder fürs Frühstücksfernsehen«, sagte der Stabschef, der links neben Straker saß. »Kann es sein, dass er in der Hitze ein bisschen glänzt?«
    »Sie würden auch glänzen bei fünfunddreißig Grad«, meinte Straker, während der Präsident vor der ersten Stufe stehen blieb. Komm schon, dachte er, schieb deinen Arsch in den sicheren Tempel.

    Straker würde noch viele Male wiederholen, was seiner Meinung nach als Nächstes geschehen war, vor Kollegen, vor dem Kongress, vor seinem Gewissen. Während sich die Leibwächter des Präsidenten für das große Foto zurückzogen, ließ Leila den Blick über die Menge schweifen und entdeckte etwas, was sie alarmierte. Sie konnte nicht sicher sein, doch aufgrund ihrer Ausbildung vermutete sie, es sei die Linse eines Fernrohrs gewesen, die sie in der tief stehenden Sonne hatte aufblitzen sehen, und zwar in einer Entfernung von neunhundert Metern nördlich von ihr. Ohne Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit trat sie vor und schirmte den schutzlosen Präsidenten ab. Eine echte amerikanische Heldin bis zum Schluss.
     
    Dhar hatte perfekte Sicht. Er fand die Kleiderwahl des Präsidenten, ein Anzug im indischen Stil, sogar noch beleidigender als die Cowboystiefel seines Vorgängers, aber er brauchte keinen weiteren Ansporn. Inschallah, seine Arbeit war so gut wie erledigt. Der Präsident stand allein, sein Körper füllte das Fernrohr aus, während Dhar das Fadenkreuz über Brust und Hals zur Stirn führte, auf der er Schweißperlen sah.
    Aber als er den Abzug betätigte und ihm in diesem Augenblick tausend wütende Gedanken durch den Kopf schossen, von seinem ersten Tag an der amerikanischen Schule bis zum Tod seines Vaters, trat eine Frau vor und starrte ihn durch das Fernrohr an. Dhar erkannte die großen Augen in dem Moment, in dem die Kugel zwischen ihnen einschlug, die Frau nach hinten warf und einen Teil ihres Schädels sprengte.
    In diesem Sekundenbruchteil, der keinen Platz für
Schock oder Bedauern ließ, begriff Dhar, dass er die Person getötet hatte, die seinen Vater verraten hatte: Stellung in der amerikanischen Botschaft, Urdu mit englischem Akzent, offensichtliche Zuneigung zu Daniel Marchant. All das passte plötzlich zusammen, es schrie ihre Schuld geradezu heraus und machte es erträglicher für Dhar, den Präsidenten verfehlt zu haben.
    Ein zweiter Schuss stand außer Frage. Der Präsident war zu Boden geworfen worden und unter einer Decke aus Beamten des Sicherheitsdiensts verschwunden, als würde er in Flammen stehen. Irgendwann in der Zukunft würde er eine zweite Gelegenheit bekommen, sagte Dhar zu sich selbst, aber er wusste, das war unwahrscheinlich. Außerdem spielte es keine Rolle mehr. Er legte das Gewehr zurück in das Versteck unter dem Wassertank, ließ sich durch die Dachluke gleiten und ging hinunter zu einer Rikscha, die unten auf der Straße stand.
     
    Marchant sah, wie Leila zu Boden ging. Ihr Blut war auf den weißen Anzug des Präsidenten gespritzt. Er versuchte, sich durch die aufgewühlte Menge zu drängen, aber seine Welt verfiel in Zeitlupe und Stille. Die Frauen um ihn herum bewegten die Münder zu stummen Schreien, die Männer rannten durcheinander. Eine Woge von Menschen trug ihn fort von Leila, hinaus in die dunklen Tiefen des Arabischen Meers, zu Stufe drei. Sebbie lag auf dem Boden des Pools. Dann hörte er die Trillerpfeife eines Polizisten und sah ihn auf der Straße liegen, unnatürlich verdreht und blutig, die offenen Augen starr vor Angst und Verwirrung.
    Er sah auch Leila, die vor den Stufen zum Tempel lag
und von niemandem beachtet wurde, während man den Präsidenten von Leibwächtern umringt zum Helikopter geleitete. Die Rotorblätter wirbelten die heiße Abendluft auf. Wie konnten sie Leila einfach da liegen lassen? Er hatte sie jetzt erreicht, hob ihren feuchten Kopf an und schützte sie vor dem Abwind.
    »Leila, ich bin es, Dan«, sagte er durch die Tränen hindurch. »Ich bin
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