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Der Mann mit dem roten Zylinder

Der Mann mit dem roten Zylinder

Titel: Der Mann mit dem roten Zylinder
Autoren: Wolfgang Ecke
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geschickt aufgefangen.
    Und beide rufen wie aus einem Mund: „Danke, Vater!“

    Auf den Straßen der schwedischen Hauptstadt herrscht dichter Vormittagsverkehr.
    Von den großen und kleinen Anlegestellen tönen die Schiffssirenen.
    Dazwischen immer wieder die lauten Rufe der Zeitungsverkäufer, die mit heiseren Stimmen Extrablätter anbieten.
    „Wer ist der Mann mit dem roten Zylinder?“
    Extrablatt... Extrablatt...
    „Nächtliche Überraschung für Madame Dupont!“
    Extrablatt... Extrablatt...
    Kleine Trauben bilden sich um die Verkäufer, die mit dem Verkauf der noch druckfeuchten Blätter alle Hände voll zu tun haben.
    Extrablatt... Extrablatt...
    „Mister Rankfield setzt fünfhundert Dollar Belohnung für jedermann aus.“
    Extrablatt... Extrablatt...
    Die Stockholmer sind neugierig geworden. Selbst der noch mit Säbel bewaffnete Verkehrspolizist hat für einen Augenblick seinen Posten verlassen, um sich über den neuesten Streich des geheimnisvollen Zylinderträgers zu unterrichten.
    Manch einer runzelt mißtrauisch die Stirn oder schüttelt den Kopf. Ob das ein neuer Zeitungstrick ist? — eine „Ente“, wie es in der Fachsprache heißt! denkt er wohl.
    Was beabsichtigt dieser Mann, der sich einen roten Zylinder aufs Haupt stülpt und zu allen passenden und unpassenden Tageszeiten, an allen passenden und unpassenden Orten auftaucht.
    Extrablatt... Extrablatt...
    „Madame Dupont dankt dem Überbringer ihrer Perlenkette.“
    Die Leute fragen sich, wie der Mann mit dem roten Zylinder zu eben dieser Perlenkette kam.
    Warum wählt er für die Rückgabe einen so gefährlichen Weg?
    Fragen über Fragen. Und — keine Antworten.
    Wer wird sich die ausgesetzten fünfhundert Dollar Belohnung verdienen?

    Erik Olanson hat sein Büro erreicht.
    Aufgeregt wird er von seinem Gehilfen Fredrik Hake erwartet, der lebhaft mit einem Blatt Papier winkt und sich dabei zwischen Hals und Hemdkragen herumfährt.
    „Haben Sie schon gehört, Chef? Der Mann mit dem roten Zylinder war wieder am Werk.“
    Olanson verzieht mißmutig das Gesicht.
    „Ich habe sie unterwegs schreien hören. Was hat er denn wieder angerichtet?“
    Fredrik Hake ist ganz Feuer und Flamme. „Soll ich Ihnen diesen Wisch hier vorlesen — oder soll ich in Stichworten berichten?“ Erwartungsvoll blickt er den Detektiv an.
    „So kurz wie möglich“, winkt Olanson ab.
    Fredrik fährt sich nervös mit der Zunge über die Lippen.
    „Also“, beginnt er und holt tief Luft. „Madame Josefine Dupont hat gestern vormittag zusammen mit einer französischen Delegation die Französische Woche in Stockholm eröffnet. Dabei verlor sie eine wertvolle Perlenkette. Die sofort eingeleiteten polizeilichen Untersuchungen ergaben nichts. Weder auf dem städtischen Fundbüro noch auf einer anderen kommunalen Behörde meldete man einen Fund an. Also futsch — hat sie gedacht.“ Fredrik macht eine Kunstpause, bevor er fortfährt. „Heute nacht wacht die liebe Madame Dupont auf und glaubt, einen Herzschlag zu bekommen. Steht da ein Mann in ihrem Zimmer. Er beschwichtigt sie, wirft ihr eine Perlenkette zu, zieht einen roten Zylinder und verschwindet wie gekommen — durchs Fenster. Anscheinend über eine Strickleiter.“
    Olanson hat aufmerksam zugehört. Jetzt fragt er interessiert: „In welchem Stockwerk wohnt denn diese Madame Dupont?“
    „Im dritten“, antwortet Fredrik.
    Erik Olanson geht nachdenklich im Zimmer auf und ab, während Fredrik ihn neugierig beobachtet.
    „Das ist aber noch nicht alles, Chef“, beginnt er wieder.
    „Wieso“, fragt Olanson erstaunt, „hat er noch einen Besuch gemacht?“
    Hake grinst und wackelt mit den Ohren.
    „Der Amerikaner hat ebenfalls für Schlagzeilen gesorgt.“
    „Ach“, ist alles, was Olanson dazu äußert.
    „Er bietet jedem, der ihm genaue Auskunft über den Mann mit dem roten Zylinder geben kann, eine Belohnung von fünfhundert Dollar an.“ Und leise setzt er hinzu: „Das sind runde zweieinhalbtausend Kronen.“
    „Verdiene sie dir, Fredrik. Du bist doch Detektiv.“ Olanson lächelt seinen Gehilfen an, und als er jetzt dessen unglückliches Gesicht sieht, muß er laut lachen. „Du scheinst dir nicht allzuviel zuzutrauen?“
    „Das ist es nicht“, wehrt Fredrik ab. „Mir ist da zu viel Konkurrenz am Werk. Was glauben Sie, Chef, wer sich jetzt alles diese fünfhundert Dollar verdienen will. Man würde sich ja gegenseitig auf die Hühneraugen treten.“
    „Oder auf die Löcher in den Strümpfen“,
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