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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller
Autoren: Heyne
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ich immer nur Koke, ein Kürzel von Koka-Kolarich, ein Wortspiel mit meinem Nachnamen.
    »Was für ein Ort für ein Wiedersehen«, fügte er hinzu.
    Richtig, und obendrein einer dieser merkwürdigen Orte, an denen niemand gerne über seine Vergangenheit spricht. Üblicherweise begannen Wiedersehen nach vielen Jahren mit einem kurzen Austausch über die jeweiligen Familien. Dazu bestand in unserem Fall nur wenig Anlass. Angefangen mit dem Umstand, dass man seine Schwester Audrey verschleppt hatte, als Sammy sieben war.
    Sein Vater, Frank Cutler, ein Installateur, der lieber in Bars soff, als zu arbeiten, hatte sich kurz danach aus dem Staub gemacht. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte Sammy mir mal erzählt, seine Mutter hätte Frank die Mitschuld an Audreys Verschwinden gegeben, weil er an jenem Abend auf Sauftour gewesen war. Jedenfalls ist er jetzt weg, hatte Sammy ihren Streit damals lakonisch zusammengefasst.
    Sammys Mutter Mary starb etwa neun Jahre später an Nierenversagen, der Folge einer seltenen genetischen Krankheit, und damit war er gewissermaßen Waise. Zu diesem Zeitpunkt saß Sammy gerade in der Jugendstrafanstalt. Als sie ihn entließen, hatte er keine Mutter mehr, keinen Vater und auch keine Schwester.
    Ich wusste aus der Akte, die Smith mir überlassen hatte, dass er später noch zweimal gesessen hatte. Wegen Besitzes und Verkaufs von Drogen und wegen schwerer Körperverletzung.
Tatsache war, seit dem Tag, als die Cops ihn geschnappt hatten, hatte ich kaum mehr mit Sammy gesprochen.
    Besser ich als du, hatte er gesagt. Besser ich als du.
    »Bist jetzt also fett im Anwaltsgeschäft, was?« Es klang fast ein wenig stolz. So hatte ich Sammy in Erinnerung. Er pflegte einen ziemlich rauen Umgangston, wollte aber niemandem wirklich etwas Böses. »Hab dich mal in der Glotze gesehen, bei irgendeinem wichtigen Fall.«
    Damals hatte ich noch für eine große Kanzlei gearbeitet. Ich hatte als zweiter Anwalt einen Senator vertreten, den eine Bundesbehörde der Korruption bezichtigte. Der Prozess hatte sich über vierzehn Wochen hingezogen, und das FBI legte Senator Hector Almundo elf Punkte zur Last, von Bestechlichkeit bis hin zu versuchter Erpressung. Die Verhandlung begann genau zwei Wochen, nachdem Talia unsere Tochter Emily zur Welt gebracht hatte.
    »Wirkte wie ’ne richtig große Sache«, fuhr Sammy fort.
    War es auch, besonders für mich. Erst ein Jahr zuvor war ich bei Shaker, Riley und Flemming eingestiegen, nach einer längeren Phase als Staatsanwalt. Der Gehaltssprung war enorm, und Paul Rileys Firma galt als Top-Adresse. Und als Paul mich dann auch noch auswählte, um ihm bei der Almundo-Verteidigung zu assistieren, und wir am Ende einen Freispruch erwirkten, war ich endgültig etabliert. Damit gehörte ich dazu. Ich war ein heißer junger Anwalt in einer der nobelsten Kanzleien der Stadt.
    Mein Familienleben stand auf einem ganz anderen Blatt. Talias Schwangerschaft war mit Komplikationen verlaufen, und als Emily schließlich zur Welt kam, ging der Prozess gerade dem Höhepunkt entgegen. Natürlich hatte Talia Verständnis für meinen Wunsch, mich beruflich zu etablieren.
Gleichzeitig war es fast unmöglich, einer jungen Mutter, die sich Tag und Nacht alleine um ihr Neugeborenes kümmerte, die Notwendigkeiten eines Prozesses zu erklären.
    Die ganze Geschichte entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Denn nachdem die beiden mich alleine in einem leeren Haus zurückgelassen hatten und ich einen völligen Zusammenbruch erlebte, kündigte ich schließlich bei der Anwaltsfirma, die mich so viel wertvolle Zeit mit meiner Frau und Tochter gekostet hatte.
    »Ich meine, wir hocken so da, schauen uns die Nachrichten an, und plötzlich seh ich dich da oben. Ich hab allen erzählt, den Typ, den kenn ich. Wir... wir waren früher...«
    Sammy führte den Satz nicht zu Ende. Ein unbehaglicher Moment für uns beide. Früher. Früher hatten wir jede freie Minute zusammengesteckt. Wir hatten uns so miteinander verbunden gefühlt, dass wir uns gegenseitig Bruder genannt hatten.
    »Und wie geht’s Pete so?«, wechselte er das Thema.
    Mein Bruder Pete war fünf Jahre jünger als ich und lebte auch hier in der Stadt. Er war ein- oder zweimal wegen kleinerer Drogengeschichten mit dem Gesetz in Konflikt geraten, aber er war ein guter Kerl, und ich hatte den Eindruck, dass er sich mittlerweile gefangen hatte und auf dem richtigen Weg war. Andererseits, wer war ich, dass ich mir darüber ein Urteil erlauben
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