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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller
Autoren: Heyne
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konnte.
    »Weißt du, dass meine Mom gestorben ist?«, fragte ich. »Ja, hab davon gehört. Hab davon gehört.« Er nickte, ohne mich anzublicken. »Ist Jack immer noch... du weißt schon.«
    »Ja, er sitzt noch.« Er meinte meinen Vater. Sammy und ich hatten ihn in jugendlicher Respektlosigkeit immer nur Jack genannt, hinter seinem Rücken wohlgemerkt. Jack war vor drei
Jahren aufgrund diverser Vorstrafen für längere Zeit ins Gefängnis gewandert. Vermutlich hatte er gute Chancen, in den nächsten Jahren vorzeitig entlassen zu werden, aber ich hatte nie nachgerechnet, und ich würde es auch in Zukunft nicht tun.
    »Bist du verheiratet?«, erkundigte er sich. Er lächelte. »Du hast dir bestimmt ’ne richtig heiße Frau geangelt, oder?«
    »Ich hatte eine«, erwiderte ich. Es war schmerzhaft, das zuzugeben, aber auf merkwürdige Weise erleichternd. Ich vertraute etwas von meinem eigenen Unglück diesem Mann an, der einen Großteil seines Erwachsenenlebens hinter Gittern verbracht hatte und dem womöglich noch viele weitere Jahre bevorstanden. Vielleicht ebnete es die Unterschiede zwischen uns etwas ein.
    Sammy drückte seine Zigarette aus und schwieg. Eigentlich hatte ich ihn fragen wollen, warum er sich erst jetzt an mich gewandt hatte - er war schon vor knapp einem Jahr festgenommen worden und hatte bis kurz vor Prozessbeginn damit gewartet. Aber im Grunde wusste ich ziemlich genau, was ihn zurückgehalten hatte. Sammy war immer schon ziemlich stolz gewesen, und jemanden um Hilfe zu bitten, bedeutete für ihn die Hölle.
    »Es war der Typ, der Audrey getötet hat«, brach Sammy schließlich das Schweigen. »Du weißt das, oder?«
    »Ich weiß es, Sam.«
    »Dieses Arschloch hatte den Tod verdient. Richtig?«
    »Richtig«, stimmte ich zu. Offensichtlich wollte er sich rechtfertigen und gab damit indirekt den Mord an Griffin Perlini zu. Doch ich wollte dieses Thema nicht vertiefen. Strafverteidiger tun das nie. Und im Moment war ich in erster Linie sein Anwalt, erst in zweiter sein Freund - vorausgesetzt natürlich, ich wurde überhaupt sein Anwalt.

    »Also«, wollte Sammy wissen, »kannst du mir helfen?«
    Eine Frage, auf die ich keine Antwort wusste, was wohl in sich bereits eine Antwort darstellte. Ich war erst seit sechs Wochen wieder im Geschäft und hatte ein paar gute Ergebnisse für Klienten herausgeholt. Aber hier ging es um Mord samt allen damit verbundenen Komplikationen, und das bei viel zu wenig Vorbereitungszeit. Meine letzten Fälle waren zumeist einfache Richtersprüche gewesen, mit nur ein oder zwei Zeugen. Und um ehrlich zu sein, ich hatte mich ziemlich durchgemogelt. Mehrfach hatte ich von unerfahrenen Staatsanwälten profitiert oder von glücklichen Zufällen wie nicht erschienenen Zeugen und verschwundenen Dokumenten. Das war im Moment meine Kragenweite. Mit solchem Kleinkram wurde ich fertig. Aber dieser Fall hier würde absolutes Engagement, eine ausgeklügelte Strategie und lange Arbeitstage erfordern. Und der Preis für ein mögliches Scheitern war, dass mein alter Freund Sammy Cutler den Rest seines Lebens im Gefängnis verbrachte.
    Also erteilte ich ihm die naheliegende Antwort. »Klar, Sammy.« Und dann schüttelte ich ihm die Hand.

6
    Halb vier am Morgen. Wir steuerten die Bar an, mein Bruder und ich, in einem Laden, den sie vor sechs Monaten neu eröffnet hatten. Eine Reihe unterirdischer Räume, wie ein todschicker Bergwerksstollen, alles in künstliches blaues Licht getaucht.
Der Bass wummerte wie eine massive Migräne. Rauch, Parfümwolken und Alkohol verursachten einen Würgereiz in meiner Kehle, während die Schönen der Nacht an uns vorbeiflanierten und möglichst verführerisch und glamourös zu wirken versuchten.
    Pete war weniger betrunken als ich, vermutlich weil ihm scheißegal war, welchen Eindruck er hier machte. Er wollte einfach nur jemanden abschleppen, etwas, das er mit den fünfhundert anderen Feierwütigen gemeinsam hatte, die sich durch diese unter feuerpolizeilichen Gesichtspunkten skandalöse Röhre quetschten. Pete war fünf Jahre jünger als ich und hatte mir in puncto Charme und Aussehen einiges voraus; dafür besaß ich die athletischere Figur und mehr Ehrgeiz.
    »Zwei Uhr«, sagte er zu mir gewandt. Es klang wie ein Flüstern in diesem Höllenspektakel, obwohl er vermutlich aus voller Kehle in mein Ohr gebrüllt hatte.
    Ich wollte ihn gerade über seinen Irrtum aufklären, als ich bemerkte, dass er mich nicht über die Uhrzeit aufklärte, sondern in die
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