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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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machte, und kein Rouge, kein Make-up dieser Welt konnte darüber hinwegtäuschen, dass sie kreidebleich geworden war. Im ersten Augenblick brachte sie kein Wort heraus, dann stieß sie mühsam und mit erstickter Stimme eine Frage hervor.
    »Was soll das heißen? Wie … wer ist sie?«
    »Sie war eine Austauschlehrerin aus Frankreich. Es hat nur vier Wochen gedauert, und ich habe keinerlei Kontakt zu ihr. Es war bloß ein Techtelmechtel, als mit uns alles den Bach hinunterging, und es tut mir wirklich furchtbar leid, aber ich wollte ehrlich zu dir sein.«
    »In Galiläa war Jesus einmal bei einer Hochzeit zu Gast«, las Gary von seinen Stichwortkarten ab. »Er spendete dem glücklichen Paar seines Vaters Segen und einen Geschenkgutschein von Ikea …«
    »Maddy, sag doch was. Es wird nie wieder vorkommen, Ehrenwort. Wir waren damals so unglücklich, dass ich, glaube ich, einfach die Selbstzerstörungstaste gedrückt habe.«
    Doch Maddy hatte nichts zu sagen, dafür verflüssigte sich ihre Wimperntusche, und eine dunkle Schliere rann ihr über die Wange.
    »So tretet denn vor, Vaughan und Madeleine!«, rief der falsche Pfaffe. Einen Augenblick standen wir zögernd in der Tür. »Los, los, nur keine Hemmungen!«, sagte Gary und zerrte uns ins Freie. »Sollte irgendein Mensch beziehungsweise Hund etwas dagegen einzuwenden haben, dass dieser Mann und diese Frau in den unheiligen Stand der Scheidung treten, so möge er jetzt sprechen beziehungsweise bellen oder für immer schweigen.«
    Ich blickte zu Maddy, die derart perplex war, dass sie nicht recht zu wissen schien, was sie hier eigentlich sollte.
    »Und so frage ich dich, Jack Joseph Neil Vaughan, willst du die hier anwesende Madeleine Rose Vaughan zu deiner rechtmäßig geschiedenen Frau nehmen und fortan in Sünde mit ihr leben? Gelobest du, es gebührend zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie beim Friseur war, und dich abschätziger Kommentare zu enthalten, wenn sie wieder einmal einen Riesenumweg fährt?«
    »Ich, ähm … ja.« Ich sah zu Maddy; wenigstens weinte sie nicht mehr. Doch Dillie war keineswegs entgangen, dass ihre Mutter heiße Tränen vergossen hatte, und während die meisten Gäste selbige für einen Ausdruck ihrer Rührung hielten, spürte ihre Tochter instinktiv, dass etwas im Argen lag.
    »Und du, Madeleine Rose Vaughan, willst du den hier anwesenden Jack Joseph Neil Vaughan zu deinem rechtmäßig geschiedenen Mann nehmen und fortan in Sünde mit ihm leben? Gelobest du, seine Launen und Marotten wacker zu ertragen? Seinen Rasierapparat nicht für deine Achselhöhlen zu missbrauchen? Über Witze zu lachen, die du schon hundert Mal gehört hast? Und Interesse zu heucheln, wenn er sich wieder einmal in wirren Theorien darüber ergeht, was wohl geschehen wäre, wenn Hitler Afghanistan überfallen hätte?«
    Plötzlich herrschte Schweigen. Dem das leise »Ja« von Maddys Mutter keinen Abbruch tat.
    »Sie hat ihren Text vergessen, Ladies und Gentlemen – es ist ein großer Tag …« Gary hatte uns im Haus verschwinden sehen und befürchtete das Schlimmste. »Sag einfach ›Ja‹«, raunte er Maddy zu. Sie senkte den Blick und sah, dass ihre Freunde sie erwartungsvoll anstarrten – fast schienen sie ihr soufflieren zu wollen. Gary lächelte ins Publikum, wie um anzudeuten, dass derlei Unterbrechungen durchaus nicht ungewöhnlich seien und die Zeremonie jeden Moment weitergehen werde.
    »Sie hat’s sich anders überlegt!«, grölte ein betrunkener Zwischenrufer, dessen Frau ihm einen Knuff versetzte, als ihr klar wurde, dass er mit seiner Vermutung womöglich nicht ganz falschlag.
    »Lass dir ruhig Zeit, Maddy – das ist eine schwerwiegende Entscheidung …« Der humorige Unterton war aus Garys Stimme gewichen, plötzlich klangen seine Worte bitterernst.
    Maddy schien die Sprache wiedergefunden zu haben, und eine Welle der Erleichterung ging durch die Reihen.
    »Du … du …« Sie durchbohrte mich mit ihrem Blick. »Du Arschloch !«
    Ein paar Gäste kicherten pflichtschuldig, als gehöre all das zur Inszenierung, doch ihr Gelächter klang irgendwie aufgesetzt. »Du verdammtes, mieses Arschloch!« Jetzt brach sie tatsächlich in Tränen aus und schleuderte mir den Blumenstrauß ins Gesicht. »Ich will dich nie mehr wiedersehen.« Und damit stürmte sie an Gary vorbei ins Haus, und einen Augenblick lang herrschte fassungsloses Schweigen, bis die verblüfften Gäste hörten, wie Maddy die Haustür hinter sich zuknallte.
    Dillies Freundin, die am Ende der
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