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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Autoren: Manfred Köhler
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heraus, traf ihn damit hart an der Brust in der Nähe des rechten Schlüsselbeins, und das so überraschend, dass er die Pistole fallen ließ und nach hinten taumelte.
    Ich hatte im Ga rten des Pastors verbissen Holzhacken mit links geübt und seitdem immer wieder alles getan, um aus meiner linken eine halbwegs taugliche Ersatz-Rechte zu machen. Steine werfen war nie Teil meiner Übungen gewesen, und deshalb war ich selbst nicht wenig überrascht, dass ich so wirkungsvoll getroffen hatte. Mein nächster Impuls war es, nachzusetzen und die Pistole an mich zu bringen. Aber Rogalla, der noch besser bei Kräften war, als es den Anschein gemacht hatte, schrie dazwischen:
    „Nicht, hau ab!“
    Ich begriff, dass er recht hatte. Die Pistole war etwa am tiefsten Punkt der kraterförmigen Schottermassen liegen geblieben. Jeder von uns befand sich oberhalb an unterschiedlichen Stellen des Gefälles. Wir wären gleichzeitig dort angekommen, und im direkten Kampf um die Waffe wäre ich Honkes hoffnungslos unterlegen gewesen.
    Rogalla begann mit den Beinen zu strampeln, löste damit e inen kleinen Schotter-Rutsch aus, und noch ehe Honkes reagieren konnte, war die Waffe verschüttet. Ich rannte los in Richtung Ausgang, was den gleichen Effekt von der gegenüberliegenden Seite bewirkte. Eine weitere Lage Schotter verteilte sich über der Stelle, an der die Pistole lag.
    Mit der von ihm ausgelösten Law ine rutschte auch Rogalla selbst nach unten. Über ihm begannen sich weitere Lagen Schotter zu lösen, und es trat ein, was wir befürchtet hatten: Von allen Seiten kamen Steinlagen zum Zentrum der trichterförmigen Vertiefung hin zum Rutschen. Auch Honkes wurde davon erfasst, und je mehr er dagegen anstrampelte, desto schneller löste sich der Untergrund unter ihm.
    Ich selbst befand mich oberhalb der Kettenrea ktion und lief ihr auf allen vieren gerade so davon: zwei Krabbler hoch, einen abgerutscht, zwei hoch, einen abgerutscht, womit ich, ohne es zu beabsichtigen, die Lawine noch beschleunigte. Das Knirschen der rutschenden Steine verstärkte sich in dem überdachten Hohlraum zu einem schabenden Prasseln.
    Ich geriet in Panik, Reflexe überna hmen das Kommando, und so kann ich mich bis heute nicht erinnern, wie ich es geschafft habe, mich zu der Eisenleiter zu retten. Ich weiß nur, dass ich plötzlich an den Sprossen hing und kletterte und einen Schrei hörte und dann ein Keuchen und begriff, dass auch Honkes es geschafft hatte. Er war unmittelbar unter mir, war angeschlagen und ebenfalls unter Schock, war halb damit beschäftigt, sich zu retten, und halb damit, mich zu jagen.
    Bevor ich mich durch die Öffnung nach draußen auf das Förde rband fallen ließ, sah ich bei einem Blick zurück, dass auch Rogalla noch hatte reagieren können, dass er nicht völlig unter den zur Ruhe kommenden Steinmassen verschüttet war, aber sein Unterkörper steckte fest. Leblos lag er bäuchlings und grau eingestaubt auf dem Schotter.
    Ich hechtete aus dem Silo auf das Förderband und krabbelte nach unten. Plötzlich spürte ich einen Ruck, hörte unten am Ende des Förderbandes ein schabendes Ächzen, und dann brach ein höllischer Lärm los. Es klang wie eine a lles unter sich zermalmende Steinlawine.
    Das Fö rderband, auf dem ich nach unten unterwegs gewesen war, setzte sich in die Gegenrichtung in Bewegung. Schneller als ich es vermutete hätte, wurde ich wieder nach oben geschoben. Hinter mir sah ich Honkes an der Öffnung zum Silo an der Innenseite Knöpfe drücken und auf mich warten.
    „Wie schon gesagt“, brüllte er gegen den Lärm an, „der B etrieb ist noch tadellos in Schuss.“
    Ich sprang auf und rannte auf dem steilen, sich rasch bewege nden und von instabilen Schotterlagen bedeckten Förderband nach unten. Ich kam nur ein paar Schritte weit, da gab der Schotter unter meinen Tritten nach. Ich fiel, rollte über den Schotter, ohne von der Aufwärtsbewegung ergriffen zu werden, nach unten, und sah die Mündung des Steinbrechers größer werden. Es gelang mir, mich abzufangen, und sofort ging es wieder nach oben, dem lauernden Honkes entgegen.
    Zw ischen Förderband und Erdboden lagen an der Stelle, an der ich mich befand, zehn Meter freier Fall. Vor mir ratterte der alles zermalmende Steinbrecher, hinter mir lauerte Honkes... – da erfasste ich ein paar Meter unter mir einen Gittermasten. Ich blieb auf allen vieren, aber bewegte mich so schnell ich nur konnte, war damit ein bisschen schneller als das Förderband, und im
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