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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Autoren: Manfred Köhler
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Rattern wurde für ein paar Momente dumpfer, dann spuckte der Steinbrecher auch schon aus, was er zermahlen hatte. Mir fehlte die Kraft, mich vom Anblick dessen abzuwenden, was das Förderband nach oben trug. Ich schloss die Augen.

Letztes Kapitel
     
    Ich wollte, ich könnte Sie mit einem Happy End aus meiner G eschichte entlassen. Das ginge auch, hörte ich in den ersten zwei Wochen nach den Ereignissen im Steinbruch auf zu erzählen. Aber praktisch alles, was seit Honkes Tod bis zur Gegenwart noch passiert ist, geht auf die erste Begegnung mit ihm zurück, und diese Begegnung wird wohl auch noch weit in meine Zukunft hineinreichen und sie bestimmen, vielleicht bis zum Ende meines Lebens.
    Nach meiner Rückkehr in meine Heimatstadt erlebte ich mit Mel anie wunderschöne, traumgleiche Tage des Übergangs. Die Sorgen der unmittelbaren Vergangenheit spielten keine Rolle mehr, und von der Sorge darum, wie es langfristig weitergehen sollte, ließen wir uns nicht berühren. Wir lagen stundenlang Arm in Arm ohne zu sprechen und genossen das unbeschreibliche Gefühl, die Bedrohung los zu sein.
    Spielerisch und voll rosaroter Fla usen im Kopf begannen wir, die 30, 40 Jahre, die vor uns liegen mochten, mit Inhalten zu füllen, und zwar, im Gegensatz zu unserem früheren Nebeneinanderherleben, ausschließlich mit solchen, die uns verbanden. Eine gemeinsame Weltreise wollten wir machen. Und danach ein kleines Geschäft aufbauen, irgend etwas, das nicht viel abwerfen, aber Spaß machen und verbindend auf uns wirken musste.
    Dass ich, auch ohne einen P eter Honkes als ständige latente Gefahr im Hintergrund, nach wie vor im Ungewissen darüber war, was infolge meiner Taten in Zusammenhang mit meiner Entführung auf mich zukommen mochte, klammerten wir aus – dafür würde sich eine Lösung finden, wenn wir so weit wären, uns in eine Art Alltag einzufügen.
    Aber zu diesem gemeinsamen Alltag sollte es nie kommen.
    Melanie hatte, als ich aus Berlin zurück war, ihren Job gekündigt. Unter den Leuten, für die sie im Auftrag der Zeitarbeitsfirma Hausarbeiten erledigt hatte, war eine bettlägerige alte Frau gewesen. Mit ihr hatte sie Freundschaft geschlossen; meines Erachtens war es eher ein Ersatzmutter-Ersatztochter-Verhältnis. Jedenfalls hatte sich Melanie entschlossen, dieser Frau weiterhin zu helfen, und zwar so lange, bis sie von den Folgen ihres Oberschenkelhalsbruches genesen oder in ein Pflegeheim eingewiesen sein würde.
    Zwei Wochen und zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Berlin vera bschiedete sich Melanie für den Vormittag, um für die alte Dame einzukaufen und für sie sauber zu machen. Am Nachmittag wollten wir an den Badesee im Norden der Stadt fahren, sofern das angekündigte Gewitter bis dahin nicht hereingebrochen sein würde. Sie verabschiedete sich mit einem Kuss, war die Treppe schon halb unten, kam noch einmal hoch, um mich fest zu umarmen, sie wollte gar nicht loslassen.
    Als hätte sie geahnt, dass es unsere letzte Umarmung sein wü rde.
    Nachdem Melanie für die Frau eingekauft hatte, machte sie ihr noch den Abwasch. Die Türen zwischen Schlafzimmer und Küche sta nden offen, und Melanie erzählte von dem geplanten Ausflug an den Badesee und allerlei Kleinigkeiten.
    Beim Abtrocknen des Geschirrs zerbrach ihr ein Glas, sie schnitt sich in den Finger – nicht tief genug, um einen Arzt aufzusuchen, sie verpflasterte die Wu nde selbst, aber tief genug, dass es ihr übel wurde, als sie zehn Minuten später auf einer Leiter stand, um Vorhänge aufzuhängen. Sie muss kurz ohnmächtig geworden, von der Leiter gefallen und mit dem Hinterkopf auf der Tischkante aufgeschlagen sein.
    Danach lebte sie noch eine Viertelstunde, kam noch einmal zu Bewusstsein, aber redete nur wirre Dinge. Die alte Frau, unfähig au fzustehen und selbst zu helfen, alarmierte vom Telefon im Schlafzimmer aus den Notarzt. Die Sanitäter ließen sich von einer Nachbarin öffnen und kamen nur um Minuten zu spät.
    Drei Tage danach wurde Melanie beerdigt.
    Ihre Beisetzung war das letzte Mal, dass ich mich in der Öffentlichkeit zeigte. Hermann – unser früherer Vermögensverwalter Dr. Hermann Bacher – erledigte den Behördenkram für mich, und er und Silke waren neben Mirko und mir die einzigen Trauergäste, die Melanies Urne begleiteten.
    Als ich Hermann die ganze Geschichte erzählt hatte, holte er E rkundigungen ein. Was er herausfand, ließ ihn mir raten, mich besser nicht zu stellen, sondern im Verborgenen abzuwarten, ob der Fall
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