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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe
Autoren: Steve Hamilton
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wieder beim Auto waren, holten wir den restlichen Kram heraus und schleppten ihn an Bord. Es hätte mich nicht überrascht, wenn Gunnar sich einfach reingesetzt und uns die Sache allein hätte beenden lassen, aber er nahm sich eine große Weinkiste und trug sie zum Boot. An Bord gingen wir auseinander, um die übrigen Körbe zu verteilen. Keiner sagte ein Wort.
    Ich brachte meinen Korb zur unteren Ebene. Als ich in eine der Kabinen trat, fiel mir sofort der schwache Duft auf. Orientalische Zigaretten vermischt mit diesem Aftershave. Das war
seine
Kabine. Die des Mannes, dessen Eigentum ich war und offenbar bleiben würde. Bis in alle Ewigkeit.
    Es war ein seltsames Gefühl, dort neben dem Bett zu stehen, in dem er jede Nacht schlief. Eine halbe Million Dollar aus seiner Tasche lag nur eine Tür weiter in diesem Safe.
    Ich stellte den Korb auf den Tisch. Das Einzige, was ich an diesem Tag zustande gebracht hatte – die zuvorkommende Überbringung diverser Luxusartikel, um ihm die Reise noch ein wenig angenehmer zu gestalten. Ein paar feine Havannas. Eine Flasche Lagavulin, sechzehn Jahre alt. Ein deutscher Birko-Nassrasierer, komplett mit Rasierpinsel und Rasierseife. Eine Dose L’Amande-Talkumpuder aus Italien. Hoffe, Sie haben Ihre Freude daran, Sir. Stets gern zu Diensten.
    Ich ging hinaus und durch den Gang zur Treppe.
    Auf halbem Weg blieb ich stehen.
    Ich kehrte zu der Kabine um und sah mir den Präsentkorb an. Dann löste ich die Zellophanhülle ab und nahm die Dose Talkumpuder heraus.
    Damit ging ich zu dem letzten Raum ganz hinten.
    »Michael!« Lucys gedämpfte Stimme von irgendwo hinter mir. »Wo willst du hin?«
    Ich näherte mich dem Safe und schüttete etwas Talkumpuder in meine Hand. Hielt ihn dicht vor die Zahlentastatur und blies.
    »Was machst du da?« Sie stand jetzt direkt neben mir.
    Ich sah mich um und fand eine Taschenlampe in einer der Schubladen, mit der ich auf das Touchpad leuchtete. Ich probierte verschiedene Winkel, hielt den Kopf schräg, hielt die Taschenlampe schräg, bis ich die gewünschte Wirkung erzielte.
    »Meinst du etwa …?«
    Ich nickte, ohne sie anzusehen.
    »Ich sag den anderen, sie sollen noch ein bisschen Zeit schinden. Viel Glück!«
    Sie verschwand. Nun war ich allein. Allein mit dem Touchpad, der Taschenlampe, dem Puder und vier sichtbaren Fingerabdrücken auf vier Zahlentasten.
     
    Mit diesem letzten Schritt kannte ich mich aus. Der war nicht anders, als wenn ich die Zahlen auf einer Nummernscheibe bestimmt hatte und dann zurückdrehte und die möglichen Kombinationen einstellte. Vier Zahlen bedeuteten vierundzwanzig Möglichkeiten, vorausgesetzt, dass jede nur einmal verwendet wurde. Ich fing an, sie durchzugehen, drückte auf die ENTER -Taste und beobachtete das kleine Kontrolllämpchen. Etwa beim fünften Versuch kam mir die Frage in den Sinn, ob eventuell eine Art Zugriffssperre wirksam werden würde, wenn man zu viele falsche Kombinationen eingab.
    Ich hielt die Luft an und probierte die sechste Möglichkeit.
    Oder, Mann, überleg mal, vielleicht lösen zu viele falsche Eingaben auch ein plötzliches schrilles Alarmsignal aus. Das wäre ein Spaß.
    Ich probierte die siebte Kombination.
    Gleich, dachte ich. Wenn die nächste falsch ist, passiert was Übles. Der Alarm wird losgehen, und diese Muskelprotze werden mit gezückten Waffen auf das Schiff stürmen.
    Ich gab die achte Kombination ein. Das rote Lämpchen wurde grün. Ich drehte den Griff und öffnete den Safe.
    Also, wie ein Bündel Hundert-Dollar-Scheine aussieht, weiß ich. Hundert Scheine in einem Bündel, das macht zehntausend Dollar. Hundert Bündel sind eine Million. Über den Daumen gepeilt vermutete ich, dass wir hundert Bündel in eine leere Weinkiste bekommen würden. Ich ließ den Safe offen und eilte hinauf auf das zweite Deck. Wo ich in eine Party hineinplatzte.
    Die beiden Wachen waren an Bord gekommen und standen nun an der Bar. Jeder mit einer Flasche mexikanischem Bier in der Hand. Die Frauen lächelten und lachten immer noch, spielten ihre Rollen, doch als ich Ramonas Blick auffing, sah ich hilflose Verzweiflung darin. Julian und Gunnar arrangierten nach wie vor Sachen auf der Bar, schoben die Weinflaschen hin und her und versuchten, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es noch einen guten Grund für ihr Hiersein.
    Verdammt, wir brauchten so schnell wie möglich mehrere leere Weinkisten dort unten, konnten sie aber unmöglich dorthin schaffen und mit Geld füllen, solange die Wachen da
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