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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Autoren: Lars Gustafsson
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durch seine Form Effektivität und Hygiene ausstrahlte. Aufrecht stehend, gekippt oder auf die Seite gelegt und mit verschiedenen Verlängerungen, Verkürzungen, Kniegelenken und Vergrößerungen, kurz gesagt mit allen möglichen Hilfsmitteln, konnte es je nach Bedarf und Gemütsverfassung des Besitzers kneten, mischen, quirlen, mahlen und Wurstpellen füllen.
    Wie mühelos könnte nicht dieses flotte Gerät einige der schwersten Aufgaben in einer bäuerlichen Küche erledigen, ganz zu schweigen von einer Herrenhausküche? Und mit welcher Leichtigkeit konnten nicht die verschiedenen Teile für die notwendige Säuberung nach der Arbeit auseinandergenommen und wieder zusammengefügt werden!
    Es war so leicht zu vergessen, wie die Stunden verstrichen: mit angenehmen Gesprächen, dem Duft von Kaffee und frisch gebackenen Brötchen in warmen ländlichen Küchen. Janne empfand es als ungerecht, dass der Tag vor ihm davonlief, ehe er etwas aus ihm hatte machen können.
    Im Verkaufsbüro von Electrolux in Västerås gilt es, auf Draht zu sein – zu zeigen, was man kann. Hier werden freilich keine Löhne gezahlt, Provision und nichts anderes zählt für diese Vertreter, und wird nichts verkauft, gibt es auch kein Geld. Im Konferenzzimmer hängt eine Tafel, auf der das Resultat jedes Vertreters, nach Anzahl der verkauften Geräte berechnet, die Position für einen kleinen, verschiebbaren Klotz mit seinem Namen vorgibt. Man kann nur allzu deutlich sehen, wie alle gegenwärtig im Rennen liegen. Jan V. freut sich über jeden Monat, in dem er nicht an letzter Stelle landet. Er kann gut mit Leuten reden, er ist ja so phantasievoll und unterhaltsam – das sagen alle. Aber vielleicht merkt man manchmal ein bisschen zu deutlich, dass er eigentlich nicht besonders interessiert ist. Der eine oder andere Kunde hat gesehen, wie er etwas zu offensichtlich auf die Armbanduhr schaute, wenn das Geschäft anscheinend kurz vor dem Abschluss stand.
    Der Vertreterberuf hat in all seiner Schlichtheit etwas ziemlich Heroisches an sich. Man kann nicht vorwärtskommen, indem man in den Korridoren die Kollegen anschwärzt. Richtige und allgemein akzeptierte Ansichten und Standpunkte, die sich leicht den Wünschen des Kunden anpassen lassen, können ein wenig helfen. Aber letztendlich ist es nur die Ökonomie, die zählt. Ein noch so enthusiastisches Bekenntnis zum Bauernverband hilft wenig, wenn der jeweilige Bauer nicht besonders interessiert daran ist, die Weihnachtswurst mittels eines Apparats zu stopfen. Und mit den Sozis, den Armen, ist es noch schlimmer. In der Regel ziehen sie es vor, ihre viel zu teure Wurst im Dorfladen zu kaufen. Gott sei Dank gibt es hier oben in der Hüttenwerksgegend nicht so viele davon.
    Eigentümlicherweise war dieser J. V. Friberg nie der letzte. Aber immer unter den letzten. In der Regel der vorletzte. Wenn man zu oft ganz ans Ende geriet, war es nicht sicher, dass man weitermachen durfte. Janne, der zu Hause in Västerås eine sehr stille und menschenscheue Frau hatte, mit einer schmalen Brille auf der Nase und ständig an ihrer Nähmaschine beschäftigt, hatte nicht die geringste Lust, seinen Vertrag mit Electrolux zu verlieren. Seine früheren Versuche mit verschiedenen Anstellungen nach dem Konkurs der Kolonialwarenhandlung waren nicht so glücklich verlaufen.
    Dies sollte dann also der letzte Kundenbesuch des Tages werden. Er war wohl spät dran, wenn man bedachte, dass der letzte Zug von Kolbäck um Viertel nach neun abfuhr. Aber das sollte doch wohl zu schaffen sein. Er kam im Moment nicht an die Armbanduhr heran, die unter den Ärmeln des Hemdes, des Jacketts und der grauen Windjacke verborgen war. Aber es müsste doch ungefähr ein paar Minuten nach sechs sein? Zum Bahnhof von Kolbäck zu radeln konnte doch nicht länger als zwanzig Minuten dauern? Vielleicht fünfundzwanzig?
    Alles sah recht vielversprechend aus: Ein weißes Gebäude mit Säulen und Terrasse war nach der langen, steil ansteigenden Allee in der Dämmerung zu erahnen. Genau der Ort, an dem man sich vorstellen konnte, dass ein Haushaltsgerät Assistent eine von blank poliertem Kupfer und blendend weißem Geschirr schimmernde Herrenhausküche schmücken könnte.
    Riskanterweise hatte Janne nicht damit gerechnet, dass der Kies von Asphalt abgelöst werden würde. Das kräftige und schwer beladene blaue Fahrrad geriet nun auf eine Weise ins Rutschen, die für jeden Radfahrer schwierig zu bewältigen gewesen wäre. Janne riss das Fahrrad durch
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