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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Autoren: Lars Gustafsson
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Allee? Zu allem Unglück steigt diese Allee an. In einem nicht unbeträchtlichen Winkel. Sollen Alleen wirklich Steigungen haben? Jeden Moment kann es ernstlich zu regnen beginnen. Die ersten schweren Tropfen sind schon gefallen. Und dieser zu dick gestreute Kies auf der Allee behindert die Reifen immer mehr.
    Es ist 1953. Ende Oktober. Oder ist es vielleicht schon November? Der Kalender mit der Aufschrift »Electrolux Svenska Försäljningsaktiebolag« in goldenen Buchstaben auf dem Deckel liegt tief in der Westentasche der blau karierten Jacke. Es ist also nicht leicht, an ihn heranzukommen. Vieles deutet darauf hin, dass der Winter streng werden kann. Jedes Jahr zu dieser Zeit passiert der Planet eine dunkle, gefährliche Stelle auf seiner Bahn durch das leere, kalte und bedrohliche Weltall.
    Alle empfindsamen Menschen wissen das. Janne Friberg ist ein empfindsamer Mensch.
    Der Kies ist trügerisch, das Wetter abscheulich, der Planet steht falsch. Die falschen Mächte regieren. Die Wolken sind schwarz vor Teufelszeug. Der Wind zieht von den Mälar-Buchten herein, die nach Moder riechen. Und nach Schrecken. Versunkene Boote auf schwarzem Grund.
    Als Jan V. Friberg, Vertreter von Electrolux-Haushaltsgeräten in den Bezirken Västerås–Mälaröarna–Hamre, am Ende eines Tages, der allzu lange währte, von der asphaltierten Landstraße auf die vielversprechende Herrenhausallee abbog, war das ein letzter Versuch, etwas aus dem scheinbar Sinnlosen zu machen.
    Die unglaublichen Erfindungen der Nachkriegszeit, klimatisierte Autos, Kugelschreiber und all diese modernen Haushaltsgeräte, die so viele Dinge tun konnten, sind in der Provinz Västmanland nicht immer leicht zu verscherbeln. Vielleicht wäre es Richtung Norden leichter gewesen, den Kolbäcksån hinauf, wo es Elche gibt. Aus einem Elch kann man nämlich sehr viel Hackfleisch machen. Und außerdem sind die Leute da oben aufgeschlossener für alles Technische. Das Technische beginnt mit der Papierfabrik von Sörstafors und setzt sich den ganzen Weg entlang des Strömholms-Kanals fort, der Surahammar, Hallstahammar und Virsbo durchquert, bis hinauf nach Fagersta. Überall stehen Menschen an Maschinen, großen, gefährlichen Maschinen, die flüssiges Eisen und feuerrote Materialien behandeln, wie in den Walzwerken von Sura und Ramnäs, oder an kleinen pfiffigen Maschinen, wie in der Uhrenwerkstatt in Trummelsberg. Überall gibt es dort Maschinen, welche die Menschen lehren, den mechanischen Fortschritt zu schätzen. Nördlich davon sind die Wälder und südlich davon diese großen Gutshöfe mit Schweinen und Kühen, wo die Leute eigentlich nicht besonders viel von Technik verstehen. Außer vielleicht die Berufsfischer draußen auf Ridön und Almö-Lindö, die sich immerhin gut genug mit ihren Glühkopfmotoren auskennen, um sie auch bei Wind und Wetter in Gang zu bringen.
    Wenn man die Sache so ausdrücken darf. Janne lachte bitter über seinen Scherz, ohne eigentlich zu verstehen, was so lustig daran sein sollte. Aber hier im Süden waren es ja nicht Elche, sondern Schweine, die zerhackt und zu Würsten verarbeitet werden sollten.
    Auf diesen großen Höfen, die er heute unten auf der Ebene besucht hatte, den langen Weg vom Bahnhof Kolbäck und immer weiter westwärts fahrend, bis hin zu diesem verdammt beschwerlichen Kieshang, hatte man auf seine beredte Demonstration eines revolutionierenden neuen Küchengeräts nur mit mürrischen Fragen oder dem einen und anderen unverschämten Gelächter reagiert. Besonders über das Wurststopfen hatte man gelacht, von dem alle meinten, sie verstünden mehr davon. Was konnte ein Hausierer aus der Stadt über Wurststopfen, Grützwurst und Schweineinnereien wissen?
    Man hatte jedoch hier und da verstanden, dass dies ein Mann war, der sein Bestes tat, und in mindestens drei der Küchen hatte man ihn zu Kaffee und Gebäck eingeladen und ihm erlaubt, seine Ansichten über die Weltlage zu äußern, wie sie sich im Jahr 1953 am Horizont von Västerås abzeichnete. Nach Stalins Tod und mit den Sozialdemokraten an der Macht, die der Landwirtschaft fürchterlich feindlich gesinnt waren. Wie sollte es eigentlich weitergehen mit Schweden? Und besonders mit der Landwirtschaft in den südlichen Provinzen? Bei solchen lebhaften Gesprächen vergaß er manchmal seine eigentliche Aufgabe, die ja darin bestand, das Haushaltsgerät Assistent zu verkaufen, einen weiß glänzenden Koloss, gestaltet von dem pfiffigen Alvar Lenning, das bereits
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