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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Autoren: Lars Gustafsson
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Haushaltsgeräte zu verscherbeln. Es war sehr mühsam, sie zu verkaufen, diese Biester, mühsamer, als man es sich vielleicht da oben in Stockholm erwartet hatte. Er wählte diesen Weg nicht, weil es ein bisschen schneller ging, wenn man in der Pistolgatan wohnte und den Djuphamnsvägen nehmen konnte, sondern weil diese Strecke viel schöner ist als die langweilige Stora Gatan. Solange dort die Boote liegen.
    An diesem Morgen war es eigentlich schon viel zu spät im Jahr, aber trotzdem hatte er diesen Weg genommen. Die meisten Boote waren schon an Land gezogen worden. Aber die Dampfschiffe lagen natürlich noch vor Anker. Und der eine oder andere Segelfrachter aus dem Kanal.
    Dabei kann es an einem frühen Morgen im September so viel schöner sein, wenn fallende Blätter anfangen, auf dem Wasser zu treiben. Es ist so früh am Morgen, dass alles noch ruht. Wir sprechen von dem Hafen für Kleinboote, dem Alten Hafen, nicht von diesem großen neuen mit all den Kohlehaufen und dem Eisen aus dem Norden, die verladen werden sollen. Nicht von dem, der Djuphamnen heißt. Nein, wir sprechen von dem friedlichen Alten Hafen, mit dem einen oder anderen Heringsfrachter von der fernen Westküste, besonders beliebt der von den Klädesholmarna-Inseln. In den sogenannten Krisenjahren bildeten sich vor ihm gewöhnlich lange Schlangen von Heringskäufern. Jeder mit seiner eigenen Kanne aus emailliertem Blech oder seinem Milcheimer, um die fetten Heringe darin nach Hause zu bringen. Jener Hafen, wo die weißen Mälar-Schiffe nach Mariefred und dem fernen Stockholm ablegen und wo alle Kleinboote ankern, keusch wie Konfirmanden unter ihren weißen und grauen Überzügen aus altmodischem Segeltuch über Spannbögen, um den Regen abzuhalten.
    Sehr lange, bis in den Oktober hinein, pflegte Janne den Fahrradweg durch den Hafen zum Bahnhof zu nehmen. Jetzt macht es seit einiger Zeit nicht mehr so viel Spaß.
    An den Pieren beginnt es sich schon zu lichten. Es ist Herbst. Spätherbst. Da treiben keine Blätter mehr auf dem Wasser.
    Eines der Mälar-Schiffe hat offenbar schon den Kessel geheizt, obwohl es erst sechs oder möglicherweise sieben Uhr morgens ist. Weißer Rauch steigt feierlich aus dem Schornstein. Ist es wirklich möglich, dass das Schiff noch so spät im Oktober so zeitig ablegen wird? Und wenn ja, wohin? Kann man es wirklich glauben, dass jemand im Oktober das Schiff nach Stockholm nimmt, nachdem es jetzt bequeme, elektrisch betriebene Schnellzüge gibt? Und das Allerneueste: Jetzt steht der Expresszug Mälardalen mit seinen komfortablen, roten, stromlinienförmigen Wagen jedem zur Verfügung, der unbedingt nach Stockholm fahren will.
    Oder ist es nur der Koch, der so früh aufgestanden ist, um die Dampfschiff-Steaks vorzubereiten, die irgendwo da draußen im Björkfjärden oder vielleicht in dem engen Gatt unterhalb des majestätisch steilen Hangs bei Kungshatt aufgetischt werden sollen? Die Dampfschiff-Steaks, die in dem eichengetäfelten Erste-Klasse-Salon serviert werden, zusammen mit Bratkartoffeln und Pils von der Gamla Bryggeriet und OP Andersson. Alles andere wäre unpassend.
    Aber wer um Himmels willen hat die Zeit, mit dem Dampfschiff zu dieser Jahreszeit nach Mariefred, Strängnäs und Stockholm zu fahren? Tatsächlich ist es nicht mehr so furchtbar lang hin, bis die Dampfschiffgesellschaft ihren Betrieb einstellen wird. Die Gewässer frieren zu, und Schlittschuhsegler, Schüler aus dem Högre Allmänna Läroverket, strömen auf ihrem Wochenendausflug aufs Eis hinaus, nicht unähnlich den unruhigen Dohlenschwärmen über den großen, weißen, noch schneefreien Buchten im September. Hunderte von Kommas auf einer weißen Seite, Kommas, die nicht wissen, was sie trennen sollen.
    Es ist noch nicht lange her, dass die weißen Dampfschiffe des Mälaren unter dem Jubel der Passagiere das Dampfschiff-Steak wieder auf ihre Speisekarte gesetzt haben. Viele Jahre lang war es nur ein Traum, eine Erinnerung an ein verlorenes Paradies gewesen, das man die Vorkriegszeit nannte.
    Wie bis vor kurzem die Dampfschiff-Steaks ein Traum aus der Vergangenheit waren, waren das – genau genommen – die Dampfschiffe auch. Sie verbrauchten ein bisschen zu viel von der kostbaren Kohle. Und warum sollten die Menschen in einer schlimmen Zeit das Leben, das Licht über den Buchten und die milden Winde des Sommers genießen?
    Der Ersatz – oder, wie es damals hieß, das Surrogat – war Rote-Bete-Steak. Rote Bete, in einem sehr zweifelhaften Fett
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