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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Autoren: Lars Gustafsson
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bis zur Abfahrt bleiben.
    Und für einen Moment fragt er sich, ob etwas von alledem eigentlich sinnvoll ist. Könnte man nicht ebenso gut aus diesem langweiligen Schienenbus aussteigen, der am Anfang eines tristen Tages steht? Das wäre weder mehr noch weniger sinnvoll als das, was er sonst tun könnte. Ist das Leben sinnvoll? Ist das Leben der anderen auch sinnvoll? Wenn Pastor Fors von der Pfingstgemeinde behauptet, der Sinn unseres Lebens sei es, den anderen zu helfen – was um Gottes willen ist dann der Sinn des Lebens der anderen?
    Und man muss sich ja fragen: Wenn das Leben sinnlos ist, wie passt das damit zusammen, dass wir immerzu versuchen, sinnvolle Dinge zu tun?
    Für einen Augenblick, vielleicht einen Augenblick großartiger Freiheit, zieht Janne in Betracht, ganz einfach aus diesem Schienenbus auszusteigen, der hier steht, mit den dumpfen Paukenschlägen des Dieselmotors schon fahrbereit, und darauf wartet, ihn zu einer beschwerlichen und langweiligen Radtour durch diese schon vom Herbst gezeichnete Landschaft zu bringen.
    Diese Freiheit währt nur ein paar kurze Sekunden. Denn das ist Janne klar, es würde nicht gelingen, den Schaffner Jansson dazu zu überreden, das Fahrrad wieder auszuladen.
    Das könnte ja eine Verspätung verursachen.
    Wie auch immer. Die Erzählung handelt also davon, wie die Schicksale von Radfahrern einer etwas früheren Generation aussehen konnten. Und davon, was einem solchen Mann, unterwegs auf einem blauen Fahrrad, in den südlichen Teilen von Västmanland zustieß, wo das Land flach ist und die Eichen zahlreich sind.

Der Herbst kommt wie eine Reiterschar

    E s gibt eine Zeit Anfang September, in der alles reif, golden und abgeklärt wirkt. Ein stiller Hochdruck schwebt über der Gegend und verleiht ihr einen eigentümlich feierlichen Ausdruck. Diese bemerkenswert flache Landschaft mit dicht bewaldeten Inseln kann sich dann sehr idyllisch ausnehmen. Die Haine aus mächtigen Eichen sind noch halbwegs grün und sehen so still, so klug aus. Die Wellen schlagen ruhig gegen den Strand, und die kleinen Geröllsteine kichern unter ihrer sachten Berührung.
    Es fehlt nur weidendes Vieh, und das Bild einer sanften Bronzezeitlandschaft wäre vollkommen. War die Bronzezeit eigentlich sanft? Jetzt, im Jahr 1953, steigen hartnäckige Rauchfahnen von einigen Inseln da draußen in der Bucht auf: Es ist ein idealer Tag für die die große Wäsche in den Fässern unten an den Stränden, da es bestes Wetter zum Trocknen ist. Ja, an einem solchen Tag im September kann man sich vorstellen, in einer Art Ideallandschaft zu leben, einem Schweden bevor der böse Sturm von schwarzen Fichtendämonen aus dem Norden herunterfegte.
    Aber Ende Oktober sieht es anders aus. Alle Boote, bis auf die, welche aus irgendeinem Grund zurückgelassen wurden, um zu versinken oder im ersten Griff des sich bildenden Eises zertrümmert zu werden, sind an Land gezogen worden. Sie schlafen unter Persenningen, und nur die Mäuse spuken in den Pichten. Die Bäume sind nackt, der Regen hat es sich eingerichtet, als wäre er der natürliche Zustand der Dinge, die Pfade ein einziger Matsch, der große dunkle Mälaren da draußen ein melancholisches Nichts.
    Auch der Morgen war eigentlich nicht besonders hoffnungsvoll. Da gab es ebenfalls Unannehmlichkeiten, aber anderer Art.
    Nun scheint sich jedoch allmählich ein Ende abzuzeichnen. Von einem Tag, an dem fast alles schiefgegangen ist.
    Ein enttäuschter Mann auf einem schwer beladenen Fahrrad kämpft sich durch Herbst und Wind, durch den allzu losen Kies der Herrenhausallee. Das heißt, sie könnte zu einem Herrenhaus führen, aber es ist schon zu dunkel, um es zu erkennen. Es müsste da sein, am Ende der Allee. Falls er von dem Jungen auf dem Pferdekarren mit leeren Milchflaschen nicht völlig in die Irre geführt worden ist, den er zuletzt um Rat gefragt hatte.
    Ein Herrenhaus wäre seine letzte Chance. Ein Herrenhaus sollte eine große Küche haben, in der Schweine zerlegt und Würste gestopft werden. Ein richtiges Herrenhaus braucht unbedingt ein Haushaltsgerät. Einen Assistent, von der Marke Electrolux Svenska Försäljningsaktiebolag.
    Er hofft jetzt nur, dass er dort Leute antrifft. In diesen Zeiten weiß man ja nie. Dort soll ein alter Dichter gewohnt haben, der jetzt tot ist. Eine Art Poet. Vielleicht wohnte er auch in einem anderen Herrenhaus. Ringsumher gibt es mehrere davon. Unten am Mälaren ist das so, jede zweite Bucht hat ihr eigenes Herrenhaus.
    Und die
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