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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug
Autoren: Orson Scott Card
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einmal eine Kutsche ziehen.«
    Measure und Delphi lachten. Sie wußten, daß Arthur Stuart etwas wiederholte, was Cal gesagt hatte, Wort für Wort. Arthur Stuart tat das so häufig, daß die Leute es schon von ihm erwarteten und sich an seinem perfekten Gedächtnis erfreuten. Doch es machte Alvin traurig, es zu hören, weil er wußte, daß Arthur Stuart noch vor wenigen Monaten das gleiche in Cals eigener Stimme gesagt hätte, so daß selbst Ma, ohne hinzusehen, nicht erkannt hätte, daß es nicht Cal selbst gewesen war, der da gesprochen hatte.
    »Wird Alvin auch hier wohnen?« fragte Arthur Stuart.
    »Nun, daran haben wir auch gedacht«, sagte Measure. »Warum ziehst du nicht bei uns ein, Alvin? Wir können dich für eine Weile hier im Hauptzimmer unterbringen. Und wenn die Sommerarbeit geschafft ist, können wir unsere alte Blockhütte wieder herrichten – die ist immer noch ziemlich stabil, denn wir sind dort erst vor zwei Jahren ausgezogen. Dort kannst du ganz für dich allein sein. Ich finde, du bist jetzt zu alt, um noch immer im Haus deines Pas zu leben und am Tisch deiner Ma zu essen.«
    Alvin hätte es selbst nicht geglaubt, aber plötzlich standen ihm die Tränen in den Augen. Vielleicht war es die reine Freude darüber, daß endlich jemand bemerkt hatte, daß er nicht mehr derselbe alte Alvin Miller Junior war. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, daß Measure sich wieder um ihn kümmerte wie in den alten Tagen. Jedenfalls war dies der Augenblick, da Alvin zum ersten Mal das Gefühl hatte, wirklich nach Hause gekommen zu sein.
    »Klar komme ich hierher, wenn ihr mich haben wollt«, meinte Alvin.
    »Kein Grund, gleich zu weinen«, versetzte Delphi. »Ich habe schon drei Babys, die auch jedesmal gleich in Tränen ausbrechen, wenn sie nur daran denken. Ich habe keine Lust, dir ständig die Augen zu wischen und dir die Nase putzen zu müssen wie bei Keturah.«
    »Na ja, wenigstens trägt er keine Windeln«, meinte Measure, und dann lachten er und Delphi los, als sei das das Komischste, das sie je gehört hatten. Aber in Wirklichkeit lachten sie vor Freude darüber, daß Alvin bei dem Gedanken, bei ihnen zu wohnen, so sentimental geworden war.
    Und so zogen Alvin und Arthur Stuart in Measures Haus ein, und Alvin lernte seinen Lieblingsbruder aufs neue kennen. All die alten Eigenschaften, die Alvin einst an ihm geliebt hatte, waren auch in Measure dem Mann noch zu finden, aber es waren auch neue hinzugekommen: Die zärtliche Art, wie Measure seine Kinder behandelte, selbst nach einer Tracht Prügel oder einer Standpauke; die Sorgfalt, mit der Measure sich um sein Land und die Gebäude kümmerte, wie er alles sah, was getan werden mußte, und wie er es dann auch tat, so daß keine Tür länger als einen Tag quietschte, kein Tier länger als einen Tag das Futter verweigerte, ohne daß Measure versucht hätte, festzustellen, was mit ihm los war.
    Vor allem aber sah Alvin, wie Measure mit Delphi umging. Sie war kein besonders hübsches Mädchen, aber auch nicht sonderlich häßlich; sie war kräftig und stämmig und lachte so laut wie ein Esel. Aber Alvin bemerkte, daß Measure sie anzuschauen pflegte, als sei sie der schönste Anblick, den er je zu Gesicht bekommen würde. Wenn sie den Blick hob, saß er da und beobachtete sie mit einem verträumten Lächeln, und dann lachte sie oder errötete oder sah beiseite, aber für eine Minute oder zwei bewegte sie sich dann noch anmutiger, ging vielleicht ein bißchen auf den Zehenspitzen, als wollte sie tanzen oder zum Fliegen abheben. Da fragte Alvin sich, ob er Miss Larner wohl jemals einen solchen Blick würde zuwerfen können, der sie so sehr mit Freude erfüllte, daß sie kaum noch auf der Erde bleiben konnte.
    Und dann lag Alvin nachts da, spürte all die leisen Bewegungen im Haus, wußte, auch ohne seine Funken auszuschicken, was das langsame und sanfte Knarren zu bedeuten hatte; und bei solchen Gelegenheiten erinnerte er sich an das Gesicht einer Frau namens Margaret, die sich all diese Monate hinter einer Miss Larner versteckt gehalten hatte, und er stellte sich vor, wie ihr Gesicht dicht an seinem lag, die Lippen geöffnet, und wie sie diese leisen Freudenrufe ausstieß, die Delphi in der Stille der Nacht von sich gab. Und dann sah er wieder ihr Gesicht, nur daß es diesmal von Trauer und Tränen verzerrt war. Dann tat ihm das Herz weh, und er sehnte sich danach, zu ihr zurückzukehren, sie in die Arme zu nehmen und in ihrem Inneren eine Stelle zu finden,
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