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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug
Autoren: Orson Scott Card
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den Platz neben seiner Frau eingenommen hatte, den einzunehmen er doch verpflichtet war.
    Mit der Zeit jedoch gewöhnte sich Cavil Planter daran, allein zu schlafen. Er besuchte seine Frau oft, morgens und abends. Sie nahmen gemeinsam die Mahlzeiten ein, wobei Cavil in ihrem Zimmer auf einem Stuhl saß, sein Essen auf einem kleinen Seitentisch, während Dolores im Bett liegend von einer Schwarzen behutsam mit einem Löffel gefüttert wurde; ihre Hände ruhten dabei wie tote Krabben auf den Bettüchern.
    Doch selbst als er in einem anderen Zimmer schlief, war Cavil nicht frei von Qual. Er und Dolores würden keine Kinder haben, keine Söhne, die es aufzuziehen galt, um Cavils prächtige Plantage zu erben, keine Töchter, die nach prunkvollen Hochzeiten aus dem Hause schieden. Cavil dachte an den Ballsaal. Als er Dolores in das stattliche neue Haus führte, das er für sie erbaut hatte, hatte er gesagt: »Unsere Töchter werden hier in diesem Ballsaal ihre Freier kennenlernen und zum ersten Mal ihre Hände berühren, so wie sich unsere Hände zum ersten Mal im Hause deines Vaters berührten.« Nun bekam Dolores den Ballsaal nie zu sehen. Sie kam nur an Sonntagen aus ihrem Zimmer, um zur Kirche zu gehen, wie auch an jenen seltenen Tagen, wenn neue Sklaven gekauft wurden, damit sie, Dolores, sich um ihre Taufe kümmern konnte.
    Bei solchen Gelegenheiten bekamen alle Cavil und Dolores zu sehen und bewunderten die beiden wegen ihres Mutes und ihres Gottvertrauens im Angesicht so widriger Umstände. Doch die Bewunderung seiner Nachbarn war für Cavil in Anbetracht der Trümmer all seiner Träume nur ein schwacher Trost. Alles, worum er je gebetet hatte – ach, es war, als hätte der Herr die Liste niedergeschrieben und am Rande jeder Zeile ›Nein. Nein. Nein‹ notiert.
    Solche Enttäuschungen hätten einen weniger glaubensfesten Menschen verbittern können. Doch Cavil Planter war ein gottesfürchtiger, aufrechter Mann, und wann immer ihn auch nur der leiseste Gedanke überkam, daß der Herr ihn schlecht behandelt haben könnte, hielt er mit allem inne, was er gerade tat, holte den kleinen Psalter aus seiner Tasche und flüsterte die Worte des Weisen.
    Herr, auf Dich traue ich,
    laß mich nimmermehr zu schanden werden,
    errette mich durch Deine Gerechtigkeit!
    Neige Dein Ohr zu mir, hilf mir eilends!
    Sei mir ein starker Fels und eine Burg,
    daß Du mir helfest!
    Er konzentrierte seinen Geist auf den festen Glauben, und schon wichen Zweifel und Vorwürfe von ihm. Der Herr war mit Cavil Planter, sogar in seinen schicksalhaften Prüfungen.
    Bis zu jenem Morgen, da er in der Genesis las und zu den ersten beiden Versen des Kapitels 16 kam.
    Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, und die hieß Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, daß ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme.
    Da kam ihm der Gedanke: Abraham war ein rechtschaffener Mann, und ich bin es auch. Abrahams Frau Sarai gebar ihm keine Kinder, und auch meine darf nicht darauf hoffen. In Sarais Haushalt gab es eine afrikanische Sklavin, so, wie es Sklavinnen in meinem gibt. Warum sollte ich nicht tun, was Abraham tat, und mit einer dieser Frauen Kinder zeugen?
    Sobald ihm dieser Gedanke kam, erschauerte er vor Entsetzen. Er hatte Gerüchte von Spaniern und Franzosen und Portugiesen in den Urwaldinseln im Süden gehört, die dort in aller Offenheit mit schwarzen Frauen zusammenlebten – das waren wahrhaftig die niedrigsten aller Kreaturen! Wie Männer, die es mit Tieren trieben! Und wie hätte auch das Kind einer schwarzen Frau ihn jemals beerben sollen? Ein Mischlingsjunge konnte in Appalachee ebensowenig eine Plantage in Besitz nehmen, wie er zu fliegen vermochte. Cavil schob den Gedanken rasch beiseite.
    Doch als er sich zum Frühstück zu seiner Frau setzte, kehrte der Gedanke wieder. Er ertappte sich dabei, wie er die Schwarze beobachtete, die seine Frau fütterte. War sie nicht, wie Hagar, Ägypterin? Er bemerkte, wie sich ihr Leib geschmeidig in der Hüfte drehte, als sie den Löffel vom Tablett zu Dolores' Mund führte. Er beobachtete, wie die Brüste der Dienerin gegen ihre Bluse drückten, als sie sich vorbeugte, um der gebrechlichen Frau die Tasse an die Lippen zu halten. Beobachtete, wie ihre sanften Finger Krumen und Tropfen von Dolores' Lippen wischten. Er dachte daran, wie es sein mochte, wenn diese Finger auch ihn
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