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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Carroll
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gealtert und immer noch bis spät in die Nacht am Schreibtisch. Ruth, die nicht einmal wagt, am Sonntagnachmittag freizunehmen. Meine leidgeprüfte Assistentin Rachel, die vor lauter Überlastung beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte.
    Und deshalb bleibt es beim Nein, so großzügig das Angebot auch sein mag.
    Weil ich nun eine Familie habe.
    Als ich innehalte, den Blick durch den Raum schweifen lasse und noch einmal bestätigen will, dass an meiner Entscheidung nicht mehr zu rütteln ist, ergreift plötzlich unser Finanzchef Jimmy Doorley das Wort. »Nur aus reiner Neugier«, sagt er vom Ende des Tisches aus, »falls es nicht zu persönlich ist. Aber wie sieht Ihre derzeitige Beziehung zu Jake Keane aus? Er war doch früher Fahrer für Courtney und hat den Preis dafür bezahlt. Zwei Jahre wegen Mittäterschaft, richtig? Ich mache mir nur Sorgen um Ihre Sicherheit und um die Ihrer Tochter, Eloise. Ganz zu schweigen von unserem Ruf als seriöse Zeitung, falls er weiter eine Rolle in Ihrem Leben spielen sollte.«
    Ich hole tief Luft, fixiere ihn mit einem Blick und lasse mir mit meiner Antwort viel Zeit. Einerseits bin ich zwar empört darüber, dass er es wagt, mir so eine Frage zu stellen, aber andererseits … schließlich habe ich es mit den Tyrannosauriern zu tun. Was ist da anderes zu erwarten? Respekt vielleicht? Oder gar Einfühlungsvermögen?
    »Natürlich dürfen Sie fragen, Jimmy«, entgegne ich in möglichst schneidendem Ton, »was jedoch nicht zwingend bedeutet, dass ich Ihnen antworte. Jake Keane ist mein Lebenspartner, und ich hoffe, dass das noch lange so bleiben wird. Ja, er war früher Fahrer für Courtney, was er nicht hätte tun sollen, wurde erwischt und hat dafür gebüßt. Aber einen Fehler im Leben dürfen wir alle machen, oder? Das Gleiche gilt ja auch für mich.«
    Ich füge nicht hinzu, dass es mein größter Fehler war, jahrelang bei der Post zu bleiben, und hoffe, dass sie die Anspielung verstehen würden.
    »Dennoch eine erstaunliche Geschichte«, erklingt eine andere Stimme vom Ende des Tisches. »Ich hoffe für Sie, dass die Boulevardblätter nicht weiter darin herumwühlen.«
    »Wenn doch, kann ich nur den Herzog von Wellington zitieren.« Ich lächle liebreizend. »Veröffentliche es und geh zum Teufel.«
    Natürlich spricht es sich sofort herum, dass ich das Angebot abgelehnt habe. Und so bekomme ich am nächsten Tag einen Anruf von Rachel, die mich fragt, ob ich kurz vorbeischauen möchte, »um ein paar Sachen abzuholen, und damit wir uns richtig verabschieden könnten«.
    Ich tue es und finde zu meinem Erstaunen das riesige Großraumbüro absolut verlassen vor. Keine Menschenseele. Als ich schon umkehren und später wiederkommen will und mich frage, warum es hier zugeht wie auf einem Geisterschiff, läutet mein Mobiltelefon. Es ist Ruth, die mir Bescheid gibt, dass alle mich im Konferenzraum erwarten.
    Und dort steigt die Party. Eine tatsächliche, richtige Abschiedsparty. Für mich. Mit einem riesigen Kuchen, auf dem Wir werden dich vermissen, Eloise! steht, Fahnen, Luftschlangen, Champagner und allem, was dazugehört. Sie haben sogar zusammengelegt und mir ein wunderschönes silbernes Glücksarmband von Tiffany gekauft. Alle sind gekommen, niemand fehlt, und sie rühren mich mit ihren herzlichen Ansprachen zu Tränen, in denen sie beteuern, wie sehr ich ihnen fehlen werde, und mir mit der Todesstrafe drohen, falls ich mich nicht melden sollte.
    Plötzlich steht mir der grässliche Abend meines dreißigsten Geburtstags vor all den Jahren vor Augen, als niemand erschienen ist, sodass ich ganz allein feiern musste. Es war kaum zu fassen, wie sich mein Leben seit diesem schrecklichen Abend verändert hat. Lily, Jake … wer hätte das je gedacht?
    »Du wirst uns fehlen, Eloise«, sagt Marc vom Kulturressort, und ich weiß, dass er es ernst meint.
    »Mach mal halblang, Marc«, hänsle ich ihn. »Darf ich dich daran erinnern, dass wir die ganze Zeit nur gestritten haben?«
    »Egal. Du warst meine Chefin und Freundin. Eine Cheffreundin sozusagen. Früher war das nicht so, aber es hat sich geändert. Nun, zumindest bis du dem Vorstand gesagt hast, dass er dich kreuzweise kann. Wodurch du übrigens zu meiner Heldin geworden bist. Wenn du nur etwas an deiner Frisur tun könntest …«
    »Marc, schon verstanden«, erwidere ich lachend. »Und jetzt hör auf, bevor du dich noch tiefer reinreitest.«
    Viele Stunden später und nach viel zu viel Champagner wanke ich, gestützt von
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