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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Carroll
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Überraschung. Nach den Ereignissen der vergangenen Monate habe ich mir auf Jakes Beharren hin eine längere Auszeit genommen – und zwar obwohl die Tyrannosaurier wiederholt angerufen haben, um sich, »sobald es mir zeitlich passt, mit mir zu treffen, um einige neue Optionen zu erörtern«.
    Die Sache mit den Optionen hat mich zunächst verwirrt. Schließlich hatten sie mich doch bereits vor die Tür gesetzt. Warum also wollten sie mich noch einmal sprechen? Dann dachte ich mir, sie könnten vielleicht befürchten, dass ich sie vors Arbeitsgericht zerre. Was ich niemals täte und auch gar nicht könnte. Allerdings war das die einzige Erklärung, die mir einfiel. Deshalb habe ich mir den Spaß gegönnt, auf keinen der Anrufe zu reagieren. Sollten sie doch schmoren, dachte ich mir. Gott weiß, dass ich mir im Laufe der Jahre ihretwegen genug die Nerven strapaziert habe.
    Stattdessen habe ich mir eine wundervolle Auszeit zu Hause gegönnt und etwas getan, was ich mir bis jetzt niemals zugestanden habe: einfach nur Hausfrau und Mutter zu sein und jeden Augenblick zu genießen. Ich gehe mit Jake und Lily in den Park oder in die Kindervorstellung ins Kino oder tue ganz alltägliche Dinge wie die beiden zu bekochen, zu reden, herumzualbern, zu lachen oder vor dem Fernseher abzuhängen.
    Und dann, als ich wirklich dazu bereit bin, aber keinen Tag eher, spaziere ich in die Redaktion, um mich mit dem Vorstand zu treffen. Und zwar in meinem Mama-Outfit, bestehend aus Jeans, T-Shirt und Flip-Flops. Meine Botschaft zwischen den Zeilen, die besagen soll: »Äh … Verzeihung … meine Tochter wartet zu Hause, also fassen Sie sich bitte kurz.«
    Und Sie können mir glauben, dass es nicht lange dauert.
    Bevor ich ging, umarmte Jake mich fest.
    »Ganz gleich, was sie von dir wollen, Liebling«, sagte er, »ich bin sicher, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst. Und ich halte zu dir, was immer auch passiert … solange du nur weißt, was du tust.«
    »Mach dir nur keine Sorgen.« Ich lächelte ihn an und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. »Das weiß ich genau.«
    Und wie sich herausstellt, stimmt das auch. Sobald ich in der Chefetage aus dem Lift steige, kommen mir alle, angeführt von Sir Gavin persönlich, entgegen. Plötzlich bin ich von alten Männern in Anzügen umringt, die mir alle die Hand schütteln und mir herzlich dazu gratulieren, dass ich »diese Hetzkampagne in den Medien« (Sir Gavins Formulierung, nicht meine) überstanden hätte. Dann werde ich in den Sitzungssaal geleitet, wo man mir ohne Umschweife mitteilt, ich hätte riesigen Mist gebaut, weil ich die Berichterstattung im Fall Courtney unterdrückt hätte, um mein Privatleben zu schützen. Allerdings haben sich die Vorzeichen seitdem geändert.
    Wie sich herausstellt, hat sich Seth Coleman auf meinem Posten nicht als die Traumbesetzung entpuppt, für die er selbst sich gehalten hat. »Er braucht eine starke Hand, die ihm einen kleinen Schubs gibt, damit hier alles weiter so reibungslos läuft wie bisher«, scheint die allgemeine Meinung über ihn zu sein. Und angesichts dieser Entwicklungen lautet die Frage: Könnte ich mir vorstellen zurückzukommen?
    Da Seth nun den Stuhl des Chefredakteurs besetzt und laut Vertrag daran klebt, bietet mir der Vorstand seinen alten Job als Redaktionsleiter an, bei leicht gekürztem Gehalt und direkt rechenschaftspflichtig gegenüber der Chefetage. Vom Redaktionsleiter werden noch längere Arbeitszeiten erwartet als vom Chefredakteur, was bedeutet, mehr Schufterei für weniger Geld.
    »Ich würde Ihnen dringend raten, darüber nachzudenken, Eloise«, drängt Sir Gavin. »Sie dürfen das auf keinen Fall als Herabstufung verstehen. Wir sind bereit, Ihren kürzlichen Ausrutscher zu übersehen, weil Sie schließlich nur Ihre Familie schützen wollten und überdies bis dato eine makellos weiße Weste hatten. Es ist ein großzügiges Angebot. Wir brauchen Sie.«
    »Es ist wirklich ein sehr großzügiges Angebot«, erwidere ich bestimmt, »aber die Antwort lautet Nein.«
    Die Entscheidung ist tatsächlich nicht schwierig. Ich brauche nicht einmal darüber nachzudenken.
    »Eloise, ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich ein wenig Bedenkzeit zu nehmen. Überstürzte und emotionale Entscheidungen sind immer unklug, was Ihnen ja besonders klar sein müsste …«
    Aber das ist überflüssig. Ein Bild nach dem anderen blitzt vor meinem geistigen Auge auf. Der arme weißhaarige Robbie Turner, vorzeitig
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