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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat
Autoren: Joseph von Westphalen
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so zuzusetzen, daß sein rechter Fuß nicht länger in der Lage war, das Gaspedal zu drücken und er an einem Parkplatz anhalten und Penelope seinen Zustand gestehen mußte. Jetzt war es soweit: Er legte seinen Kopf in ihren schmalen Schoß und fühlte ihren Po und sagte: »Ich werde wahnsinnig ohne dich und deinen Penelope-Popo.« Sie lachte und streichelte ihn und küßte ihn schließlich mit ihrer Gazellenzunge, und er schrie: »Hör auf, hör auf, nicht das, jetzt wird es doch noch schlimmer!« Er flehte sie an, ihm Asyl in ihrem Kleiderschrank zu geben, er wolle und könne nirgendwo mehr existieren als nur in ihrer unmittelbaren Nähe.
    Sie lachte und stieß wieder ihre entzückten Gazellenschreie aus, und er sagte, den Kopf noch immer in ihrem schmalen Schoß: »Ich meine das vollkommen ernst.«
    »Ich weiß das doch«, sagte sie, lachte weiter und fügte hinzu: »Das ist doch schön.«
    Als er nicht aufhörte mit dem Stöhnen, und ihm Sätze zu entschlüpfen begannen wie »Ich kann keine Sekunde ohne dich leben!« und »Was sag ich nur meiner Frau?«, verlor Penelope die Geduld. Sie ohrfeigte ihn und sagte, Viktor habe sich ihr in den Hunderten von Briefen als ein erfahrener Ehemann präsentiert, der das Leben und die Liebe und den Umgang mit seiner souveränen Ehefrau souverän im Griff habe und der mit seiner Theorie von den verschiedenen Anteilen verschiedener Liebschaften ein interessantes und plausibles Modell entwickelt habe, das im übrigen auch Urs als Informatiker beeindruckt habe, nicht als Jammerlappen, den eine Zwanzig-Prozent-Liebschaft aus der Bahn werfe: »Che labilità, signore Stambecco, ein wenig conténance, mein Herr, wenn ich bitten darf!«
    Da lachte auch Viktor und gab ihr einen Gazellenklaps und sagte: »Ich hatte vergessen, daß man die Fassung verliert, wenn es einen so stark erwischt. Mir ist das schon lange nicht mehr passiert, Signora. Auch wußte ich nicht, als ich dir schrieb und schrieb und schrieb, daß die Liebe auch zunehmen kann, wenn man sich wirklich trifft.«
    Sie trat mit ihrem Gazellenbein nach ihm: »Du hast befürchtet, du könntest enttäuscht sein von mir, du Kleingläubiger, zur Strafe schmorst du vier Wochen ohne mich und schreibst mir täglich. Dann gehen wir auf den ‘Gran Paradiso’«.
    Und schon waren sie Steinbock und Gazelle und drückten ihre Paarhuferschnauzen aneinander und ließen sich ihre Paarhuferzungen spüren, und Viktor sagte: »Hilf Himmel, mir wächst zwischen den Beinen ein drittes Horn!«
    »Musik!« schrie Penelope: »Musik, und dann weiter mit uns!«
    Zum soundsovielten Mal spulten sie die Kassette auf den Anfang zurück, und Viktor erzählte Penelope von den vielen vergeblichen Versuchen, Frauen mit vorbereiteten Kassetten bei Autofahrten näherzukommen und wie diese kunstvollen musikalischen Erzeugnisse dann wenigstens Schwung in die jeweilige Ehe gebracht hätten.
    Penelope hörte nur beiläufig zu, was Viktor ihr verriet, und sagte dann lächelnd: »Das meiste, was du mir da erzählst, hast du mir schon geschrieben.« Sie wippte nach der Musik, sie drang völlig in ihren Körper ein, ersatzweise für den sittsam dahinfahrenden Viktor.
    »Fahr du das Auto«, sagte er, »mir macht das Glück die Knie weich.« Nun kam ein Song von Bob Dylan:
Isis
 – den hatte er aufgenommen, weil der Sänger den Namen seiner Frau ausspricht, als handle es sich um einen eiskalten Gletscher. Er verläßt Isis kurz nach der Hochzeit und treibt sich viele Strophen in der wilden Welt herum. Am Ende seiner Odyssee kommt er zu seiner Isis zurück, und es entspinnt sich ein Eheheimkehrer-Dialog, wie er lapidarer nicht möglich ist. Viktor fand, die schönen kargen Worte galten nicht nur für Ehemännner, sondern auch für von der Irrfahrt zurückkommende Liebhaber: »Where ya been?« sagt sie, und er sagt, nicht der Rede wert: »No place special.« Sie sagt, du siehst anders aus als sonst: »You look different.« Und er sagt, gut möglich: »Well I guess.« Sie sagt: »You been gone«– du warst weg. Und er sagt, das ist normal: »That’s only natural.« Darauf sie: »You gonna stay?«– bleibst du? Und er, wenn du es willst, ja: »If you want me to: Yeah!«
    »Yeah!« schrie Viktor mit und biß die fahrende Penelope ins Ohr –»if you want me to.«

    Einige Tage später fragte Ellen Viktor beim Frühstück: »Wie war’s auf dem Berg?«
    »Etwas zu hoch«, sagte Viktor.
    Ellen goß Tee in die Tasse. »Ist sie gekommen?« fragte sie.
    Viktor wurde starr.
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