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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Susanne Leinemann
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unübersehbar«, sagte Shirin.
    Denn Karoline hatte sich jetzt von der Veranda herunterbewegt und stöckelte über die matschige Wiese auf Tonis Tisch zu. Wie immer sah sie perfekt casual aus. Die blonden langen Haare zum lockeren Pferdeschwanz gebunden, den Dufflecoat offen, darunter ein beigefarbener Rollkragenpullover, schmal geschnittene Jeans, das Ganze abgerundet durch aberwitzig hohe Stiefel. Das Portemonnaie und den üppigen Schlüsselbund mit dem Anhänger aus Ebenholz und Silber trug Karoline in ihrer Hand, das machten Upperclass-Frauen so, wenn sie lässig wirken wollten. Mit ihren unverschämt langen Gazellenbeinen kam Karoline schnell voran, obwohl der Wiesenboden am Rande des Spielfelds uneben und dazu sehr rutschig war.
    Was wäre, dachte Toni, die ihre Rivalin keine Sekunde aus den Augen ließ, wenn Karoline jetzt ausrutscht und stürzt. Mitten hinein in den Wiesenmatsch. Karoline könnte mit einem Absatz in einem der vielen Ackerlöcher hängen bleiben oder über einen der ebenso häufigen Maulwurfshügel stolpern und der Länge nach hinfallen. Genüsslich stellte sich Toni vor, wie sie sich danach völlig verdreckt aufrichtete, das Gesicht schreckverzerrt,
schlammübersät, das eben noch perfekt frisierte Haar wirr, die perfekt manikürten, nun aber besudelten Hände leer - Portemonnaie und Schlüsselbund lägen irgendwo im Matsch. Halb in der Hocke, nein, noch besser auf allen vieren würde sie hektisch danach suchen.
    »Bitte, bitte, bitte«, murmelte Toni.
    »Sie ist sehr blond. Sehr groß. Und sehr dünn«, kommentierte Shirin, die Karoline genauso durchdringend taxierte.
    »Sie ist lang und dürr. Sie hat absolut keinen Hintern, nur zwei knallharte Muskeln, mit denen man die Arschbacken besonders fest zusammenkneifen kann. Wenn sie armfrei trägt, sieht man ihre sehnigen Ärmchen. Wie bei Madonna oder Prinzessin Letizia von Spanien. Sie sieht aus wie alle diese Alphafrauen.«
    »Was macht sie?«, fragte Shirin weiter. »PR? Werbung?«
    »Fernsehen«, sagte Toni. »Moderiert bei irgendeinem kleinen Spartenkanal eine Sendung, die niemand sieht. Hofft auf den großen Durchbruch. Sie träumt von einem Boulevard-Magazin wie Frauke Ludowig. Oder einer politischen Talkshow à la Christiansen. Absurd!«
    »Aber warum hat ihr Verlobter Tom ihr nicht mehr gereicht? Warum macht sie sich jetzt an den glücklich verheirateten Georg ran?«
    »Ehrgeiz. Sie will nur den Besten. Und wie du weißt, steht mein Mann unmittelbar davor, zum jüngsten Vorstandsvorsitzenden Deutschlands gewählt zu werden. Deshalb will sie ihn. Und er hat offensichtlich das Gefühl, ein Vorstandsvorsitzender braucht einen anderen Typ Frau an seiner Seite als mich. Das größte Statussymbol für Topmanager ist neben Polo im Moment eine tolle Fernsehfrau.«
    Jemand sprach jetzt Karoline an. Sie blieb an dem anderen Stehtisch stehen, unterhielt sich kurz, lachte laut auf. Ihre blendend
weißen Zähne waren zu sehen. Alles an ihr war so sauber, so perfekt, so stimmig. Niemand ahnt, dachte Toni, wie dreckig sie sich benimmt. Sie hat keinerlei Hemmungen, eine Ehe zu zerstören, während sie selbst noch einen Verlobungsbrillanten am Finger trägt. Shirin sah, wie Tonis Blick sich verfinsterte. Schnell goss sie Champagner nach.
    »Sie ist wie ein Seestern«, sagte Toni plötzlich.
    »Wie bitte?«, fragte Shirin erstaunt.
    »Ein Seestern ist ein ekelhaftes Tier. Alle lieben Seesterne - sie sehen so hübsch aus, so harmlos. Weißt du, wie ein Seestern Beute macht?«
    Shirin war erleichtert. Zum ersten Mal seit Minuten ließ ihre Freundin diese Karoline aus den Augen und konzentrierte sich auf etwas anderes, und wenn es Seesterne waren.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Shirin besonders interessiert.
    »Der Seestern saugt sich an der Muschel fest und zerrt so lange, bis der Schließmuskel der armen Muschel versagt und sie aufklappt. Und dann …«, Toni machte eine Kunstpause, um die Spannung zu verstärken, »… stülpt der Seestern seinen Magen aus, fällt damit über die arme Muschel her und frisst sie auf.«
    »Ein Seestern kann seinen Magen ausstülpen?«, fragte Shirin ehrlich erstaunt.
    »Ja!«
    »Das ist ja ekelhaft.«
    »Sag ich doch. Wer das weiß, betrachtet Seesterne mit ganz anderen Augen. Diese Karoline ist wie ein Seestern. Auf den ersten Blick hübsch anzusehen, aber wenn du ihren hässlichen Charakter kennst, kannst du den Anblick kaum noch ertragen.«
    »Also ich weiß nicht, Georg als hilflose Miesmuschel? Das scheint mir
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