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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Susanne Leinemann
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wärmte der schwarze Mantel trotz seiner Klobigkeit kaum. Toni fror.
    Es war immer noch kalt Anfang März. Vor zwei Wochen war der Boden hier draußen noch gefroren gewesen. Nun taute er langsam auf. Das Polo-Gelände war grauenhaft matschig. Der graue Winterhimmel hing erdrückend tief über der platten märkischen Landschaft. Toni sehnte sich nach dem Frühling, sie konnte das triste Himmelsgrau kaum mehr ertragen - die kahlen Bäume, die wie Gerippe am Spielfeldrand standen. Man mied es, sich ihnen zu nähern, ihre tief hängenden blattlosen Äste wirkten wie knochige Finger.
    »Langsam drehe ich durch«, murmelte Toni halblaut vor sich hin. Ungeduldig hob sie ein zweites Mal die Hand. Der Kellner sah endlich Tonis Zeichen und nahm mit einem Kopfnicken die Bestellung an - eine weitere Flasche Champagner für den letzten Stehtisch.
    »Dein untreuer Ehemann reitet ja noch schlechter als die anderen«, sagte Shirin, fasziniert von so viel Matsch und Ungeschick. Tatsächlich hatte Georgs Pony nun seinem Reiter die Führung aus den verkrampften Händen genommen und stapfte übers Spielfeld, wie es ihm gefiel, während alle Mitspieler auf den Einsatz der beiden warteten. Georg wütete und trat das Tier mit seinen nagelneuen Stiefeln in die Seite, aber das Pony ließ sich von solchen hilflosen Befehlen nicht beeindrucken.
    Eine Sekunde lang empfand Toni so etwas wie Mitleid mit ihrem Mann. Er passte einfach nicht in diese knochige, hochgewachsene Poloszene. Der typische Polomann war aschblond mit längerem, leicht gelocktem Haar. Typische Polomänner sahen aus, als könnten sie zwar im vollgekoksten Zustand noch Bilanzen lesen und mit Prostituierten schlafen, aber nüchtern kaum eine Black & Decker halten. Georg dagegen war ein
dunkler Typ von kompakter Gestalt, kaum größer als das Polopony. Er saß zwar nicht elegant, aber immerhin fest im Sattel, das zumindest merkte sein Pferd, das mehrmals versucht hatte, ihn abzuwerfen.
    Einer wie Georg ließ sich nicht so leicht abwerfen. Er war ein gestandener Kerl. Und ein weißer Rabe in der Welt des Topmanagements. Ein Aufsteiger, den keiner auf der Rechnung gehabt hatte - ohne Ausbildung an einer Eliteuniversität, ohne den Namen einer mächtigen Wirtschaftsdynastie im Hintergrund. Georg war lediglich der Sohn eines pleitegegangenen Sägewerkbesitzers aus Bayern. Es war ein sehr, sehr kleines Sägewerk gewesen. Reitstunden? Darauf wäre bei ihm zu Hause niemand gekommen.
    »Soll er doch fallen und sich das Genick brechen«, zischte Toni. Die Mitleidssekunde war verrauscht, die verletzte Wut schoss ihr wieder ins Herz und stieg ihr zu Kopf. Der Kellner, der gerade die neue Champagnerflasche entkorkte, hatte ihre Bemerkung gehört. Er gefror in seiner Bewegung.
    »Das meint sie nicht so«, beruhigte Shirin den Kellner.
    »Das meine ich genau so!«, giftete Toni ihre Freundin an.
    »Meint sie doch so«, gab Shirin achselzuckend zurück.
    »Ja und? Was würdest du denn sagen, wenn dir das passiert wäre?«, empörte sich Toni.
    »Keine Ahnung, ich war noch nie verheiratet. Und ich habe es, ehrlich gesagt, auch niemals vor«, antwortete Shirin. Der Kellner goss nun beide Gläser voll und verzog sich dann mit einem leichten Grinsen, das diesen durchgeknallten Reichen galt.
    Die beiden Frauen prosteten sich wortlos zu.
    »Ich sag’s noch mal, du musst das hier nicht machen«, wiederholte Shirin, nachdem sie die Gläser abgesetzt hatten.
    »Doch, muss ich. Denn wenn ich mich jetzt umdrehe und diesen verdammten Poloclub verlasse, dann war es das mit meiner
Ehe. Aus, Ende. Von einem Tag auf den anderen. Ich habe nicht vor, es Georg so einfach zu machen, ihn einfach so aufzugeben. Er ist mein Mann - nicht irgendeine Beziehung, die man per SMS beendet. Wir hatten ja noch nicht mal eine ordentliche Ehekrise. Zumindest habe ich davon nichts bemerkt.« Toni hörte, wie ihre Stimme bei den letzten beiden Sätzen jammerig wurde. Das gefiel ihr nicht, ließ sich aber im Moment nicht ändern. Mein Gott, dachte sie, wie elend ist es, verlassen zu werden. Weggeworfen. Abgestellt.
    »Aber kannst du dir denn nicht etwas Zeit lassen, bis du dich wieder mit ihm zeigst, ich meine, so öffentlich. Fahr weg, verdau erst mal den Schock.« Shirin kannte Toni jetzt seit über acht Jahren, die beiden hatten sich in der Hochschule der Künste kennengelernt - Shirin die Malerin aus der Meisterklasse, Toni die angehende Innenarchitektin aus dem Seminar des Starprofessors. Sie wusste, wie Toni sonst war. Und
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