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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Susanne Leinemann
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Sternenhimmel in der Ayurvedanacht war ja schon beeindruckend gewesen, aber nur ein schwaches Vorspiel im Vergleich zu diesem Himmel über Kanada. Dieser Anblick zerriss sie fast. Um nicht verrückt zu werden, drehte sie den Kopf weg.
    Ihr Blick fiel wieder auf die geschnitzte Birkengruppe im Holzpaneel. Und jetzt, mit ein wenig Abstand, sah sie es. Diese Birken bildeten nicht einfach irgendeine Birkengruppe. Sie schrieben Buchstaben. Die Kronen der ersten beiden Birken bogen sich jeweils nach außen und formten so ein »T«. Die zweite Birke war im Stamm gespalten, der Baumstamm wuchs auseinander, doch die Blätterkrone fand wieder zusammen: ein »O«. Die dritte Gruppe bestand aus zwei geraden und einem umgefallenen Baum, der am ersten lehnte. »N«. Am Ende stand nichts weiter als ein einfacher, gerader Baum. »I«. Toni musste schlucken. Sie rieb sich die Augen, aber als sie sie wieder aufschlug, war alles noch genauso da. An der Wand stand, geschnitzt und mit Birkenbäumen geschrieben, »TONI«.
    Georg. Er war hier gewesen. Er konnte von Kindesbeinen an schnitzen. Er hatte Stunden im Sägewerk seiner Eltern damit zugebracht. Diese Schnitzerei hier war hell, sie war frisch. Es waren Birken, ihre Birken, ihre Gartenlauben-Bäume. Georg war hier gewesen. Wann? Vor einem Monat, vor einer Woche, gestern? Zitternd vor Aufregung riss Toni ihre Jeans und ihren Pullover aus der Tasche, zog den Schlafanzug aus und ihre normale Kleidung an. Dann schoss sie aus dem Zimmer, auf der Suche nach dem Gemeinschaftsraum. Sie musste Fred finden. Er musste ihr sagen, ob hier ein Deutscher unter den Holzfällern war. Einer, der »Jungbluth« hieß.
    Konzentriert stieg sie die steile Metalltreppe hinunter. Jetzt nur nicht fallen. Wo war diese verdammte Kantine gewesen? Fred hatte ihr gesagt, daneben läge das Gemeinschaftszimmer.
»Wir schauen heute Abend auch keinen Schweinkram, Ma’m. Versprochen.« Die mattgelben Metallflure sahen überall gleich aus, Toni fluchte. Sie hatte sich verlaufen. Es roch intensiv nach Maschinenöl und Metall. II/254 stand auf einer Tür. Sie musste also im zweiten Deck sein. Die Kantine lag einen Stock tiefer.
    Weitere zehn Minuten irrte sie durch die Gänge, fand nach langem Suchen endlich die richtige Treppe, die weiter hinunterführte, und dann endlich die Kantine. Aus dem Raum daneben hörte man Fernsehgeräusche. Toni klopfte kurz und schob vorsichtig die Tür auf. Der Raum war gut gefüllt, zehn, zwölf Männer saßen hier herum und guckten, Toni musste kurz grinsen, einen Walt-Disney-Film - »Toy Story« oder »Monster AG« oder etwas Ähnliches. Fred hatte also Wort gehalten, kein Schweinkram. Der sprang sofort auf und eilte zur Tür.
    »Wollen Sie mitgucken?«, fragte er. Doch Toni winkte ihn auf den Flur und schloss die Tür hinter ihm.
    »Fred, ich habe eine Frage: Arbeitet ein Deutscher unter euch? Einer mit dem Namen Jungbluth?« Toni hielt die Luft an, konnte die Antwort kaum abwarten. Diese Schnitzereien mussten von Georg stammen.
    Doch Fred schüttelte den Kopf. »Nein, Ma’m, kein Deutscher an Bord. Wir haben hier einige Koreaner, einen Finnen, zwei, drei Typen aus Mexiko. Aber im Moment keinen Deutschen.«
    »Im Moment?«, hakte Toni nach. »War denn vor einiger Zeit einer hier?« Toni war sich ganz sicher, dass die Bäume am Kopfende noch nicht lange dort waren.
    »George« - Fred sprach den Namen englisch aus - »war bis letzte Woche hier auf dem Boot. Der war hier eine Art Chef. Jetzt ist er weitergezogen, in ein Camp drei Stunden nördlich von hier. George, der war, glaube ich, aus Deutschland.«
    Das musste er sein. »Hat George auch einen Nachnamen?«
    »Die Männer hier haben eigentlich keine Nachnamen, selbst
die Vorarbeiter nicht. Aber George hat immer Witze über seinen Nachnamen gemacht - Youngblood. Ein Name wie von einem Indianer. Schweigsamer Kerl ansonsten, dieser George. Versteht etwas von Holz.«
    Toni packte Fred aufgeregt am Arm. »Ich muss in dieses andere Camp. Sofort! Es ist wirklich, wirklich wichtig. Kommt man von hier aus dorthin?«
    »Klar, es gibt eine Straße. Aber das ist gefährlich, Ma’m. Nachts fahren die leeren Holzlaster diese Route. Auf unseren Holzstraßen gilt keine Straßenverkehrsordnung, hier hat nur der Stärkere das Sagen. Die Laster überrollen so einen Pick-up einfach, die kennen da keine Rücksicht. Und Sie alleine dürfen diese Privatstraßen der Holz-Company überhaupt nicht befahren.«
    »Aber Sie, Fred, Sie dürfen das. Haben Sie ein
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