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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Autoren: Ruth Rendell
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hellen Sonnenstrahlen, die der Wind über Satin und poliertes Holz flimmern ließ, ging von dem Haus eine kühle Grabesstimmung aus. Man kam sich fast wie in einer Kirche vor, meinte Wexford, als sie die Treppe hinaufgingen.
    Die Seele von Myfleet Manor, sein Herz und einziger Quell seines Lachens, befand sich über ihnen in dem Apartment des Au-pair-Mädchens. Mit einem ausgesprochen sehnsüchtigen Blick auf die nach oben führende Treppe trat Wexford in Quentins Schlafzimmer, dicht gefolgt von Burden.
    Das Bett war gemacht. Auf dem niedrigen Nachttisch daneben lag ein Buch, auf das Wexford kommentarlos einen Blick warf. Er zog Schubladen auf und begutachtete den wohlversehenen Kleiderschrank, während sich der Detective Inspector das Bad vornahm.
    »Das Badetuch ist noch feucht, Sir«, rief Burden. »Es hängt aber über einem beheizten Handtuchhalter, und...« Wexford stapfte ins Bad und fand Burden dabei vor, wie er nachdenklich auf seine Uhr sah. »Sieben Stunden braucht es wohl kaum zum Trocknen, oder?«
    Wexford schüttelte den Kopf. »Entweder hat er zweimal gebadet, oder nur einmal, und zwar um neun oder zehn Uhr heute morgen.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß er sich beim erstenmal in Wirklichkeit nur die Spuren abwaschen wollte? In diesem Fall müßte am Handtuch oder sonstwo Blut zu sehen sein, aber da ist nichts.«
    »Wir werden Mrs. Cantrip nach der schmutzigen Wäsche fragen. Gehen wir mal nach nebenan.«
    Das Schlafzimmer der Toten war in Lila und Silber gehalten; das Tapetenmuster aus Rosenblüten und -knospen wiederholte sich genau gleich auf dem Satin der Vorhänge. Zwischen den beiden Fenstern stand eine Frisierkommode mit einem dreiteiligem Spiegelaufsatz. Weißer Tüll umhüllte die Beine der Kommode. Auch das riesige weiche Bett war weiß und wurde zu beiden Seiten von weißen Bettvorlegern aus Fell flankiert, die wie Schneeflecken auf der smaragdgrünen Teppichfläche lagen.
    Während Burden die Frisierkommode durchsuchte und die Schreibplatte eines Sekretärs umklappte, sah Wexford den Kleiderschrank durch. Mrs. Nightingale hatte genug Kleider besessen, um eine Boutique damit auszustatten, ja, der einzige Unterschied zwischen diesem Kleiderständer und dem in einer Boutique war der, daß alle diese Kleider dieselbe Größe hatten, Damengröße 36, und sie alle derselben Frau gehört hatten.
    »Kein Tagebuch«, sagte Burden, der sich mit dem Schreibtisch befaßte. »Ein paar quittierte Schneiderrechnungen von einem Laden in der Bruton Street, London, Tanya Tye heißt das Geschäft. Die bezahlten Rechnungen belaufen sich auf etwas über einhundertfünfzig und zweihundert Pfund, die dritte ist über fünfundneunzig Pfund und steht noch offen. Für uns ohne Belang, würde ich sagen.«
    Wexford nahm sich die Frisierkommode vor. Von der Tischplatte hob er nacheinander Cremetöpfchen, Lotiontuben und schließlich einen Flakon mit Flüssigkeit hoch, deren erklärter Zweck es war, Gesichtsmuskeln zu straffen und ihnen neuen Halt zu geben. »Wird aus den Verdauungssäften von Kühen gewonnen«, meinte er mit starrem Gesicht. »So heißt es zumindest.« Seine Miene kam in Bewegung, und Trauer wurde erkennbar. »Warum auf deines Hauses mürbe Scherben«, zitierte er, »o kurzer Pächter, wendest du so viel?«
    »Wie bitte?«
    »Nichts, bloß ein Sonett, das mir gerade in den Sinn kam.«
    »Ach?« sagte Burden. »Ich persönlich dachte mir auch gerade, was für eine Geldverschwendung das doch ist, wo man doch ohnehin alt wird. Für ihren Mann hat sie sich meiner Meinung bestimmt nicht soviel Mühe gemacht, was meinen Sie?«
    »Nein, da muß es noch einen anderen Mann gegeben haben.«
    Burden nickte. »Vermutlich der Mann, mit dem sie gestern nacht verabredet war. Wie lautet Ihre Theorie, Sir? Daß Nightingale Verdacht schöpfte, ihr in den Wald folgte und sie umbrachte? Und seine Kleider dann in Palmers Feuer verbrannte?«
    “Ich habe keine Theorie«, sagte Wexford.
    Gemächlich gingen sie nach unten. Die Treppe war lang, nicht sehr steil und hatte einen breiten Absatz in der Mitte. Ein Fenster, dessen karmesinrote Samtvorhänge zu den in einer Kupferschale auf dem Sims stehenden Etoile-de-Hollande-Rosen paßten, ging von dort in den Garten. Der Wind, nach wie vor heftig und wechselhaft, ließ ein Kräuseln durch die Hecken gehen, so daß sie wie grüne Bäche wirkten.
    “Da hätten wir schon einen Kandidaten für die dritte Seite unseres Dreiecks«, sagte Wexford und deutete hinüber zum
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