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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Autoren: Ruth Rendell
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den Mundwinkel. “Ich sehen sie im Licht von Scheinwerfer, wie sie aus Tor kommt, in der Nähe der Stelle, wo Unkrautfeuer brennen. Und sie sehen auch mich. Das weiß ich, weil sie rasch das Tor zumacht und sich versteckt, bis ich weg bin. Sehr komisch, denke ich bei mir. Deshalb fahre ich die Straße ein Stück weiter, mache das Auto aus und gehe sehr leise, sehr heimlich zurück, um zu sehen, ob sie wieder herauskommen.« Plötzlich richtete sich Nelleke kerzengerade auf, ließ die Beine hervorschnellen und streckte dem verlegenen Burden ihre Oberschenkel entgegen. »Und sie kommen tatsächlich wieder heraus!« erklärte sie frohlockend. »Ich sehe, wie sie die Straße überquert und in den Wald geht. Und sie gehen sehr leise und sieht sich immer wieder um, ungefähr so.« Nelleke vollführte eine geschickte, merkwürdig tierhafte Pantomine. »Da weiß ich, was sie vorhat. Häufig, sehr viele Male bin ich auch so gegangen, wenn ich verabredet sein in Wald mit meine Freund, weil der herzlose Mann uns nicht erlaubt, auf sein Zimmer zu gehen. Sehen mich immer um, weil ich sichergehen will, daß mir niemand folgt und uns dabei beobachtet, wie wir...«
    »Schon gut«, unterbrach sie Wexford barsch. »Das habe ich alles verstanden.« Er wagte es nicht, einen Blick auf Burden zu werfen. Es hätte ihn gar nicht weiter überrascht, wenn der Inspector so wie der Mann in Bleakhaus sich durch einen Selbstverbrennungsvorgang in Luft aufgelöst hätte. In mehr als ironischem Ton sagte er: »Sie waren bemerkenswert offen mit uns, Miss Doorn.«
    »Bin ich gut, ja?« sagte Nelleke mit beträchtlicher Genugtuung. Sie kaute begeistert auf ihrem Haar herum. »Ich erzählen Sachen, die helfen? Ich weiß alles über Vernehmung durch Polizei. Als ich in Amsterdam bei den Provos war, stellen mir die Polizei viele Fragen, deshalb weiß ich alles über Polizei und habe gar keine Angst.« Sie schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln, das Burden gegenüber ganz besonders herzlich ausfiel. “Ich glaube, ich jetzt machen Kaffee und erzählen Ihnen, wie wir in Amsterdam Rauchbomben werfen, während dieser alte Polizeichef sich mit dem armen Mr. Nightingale unterhält.«
    Burden hatte nun gänzlich die Fassung verloren, und während er noch stotternd zu erklären versuchte, daß er bereits Kaffee getrunken habe, ergriff Wexford gewandt das Wort: »Danke, vielleicht ein andermal.« Als Polizeichef tituliert zu werden störte ihn nicht, aber das Adjektiv schmerzte. “Wir werden Sie noch einmal sprechen wollen, Miss Doorn.«
    »Ja, das glaube ich auch«, sagte Nelleke kichernd. Selbstgefällig nahm sie es als gegeben, daß die meisten Männer, die sie einmal kennengelernt hatten, noch einmal mit ihr sprechen wollten. Sie machte es sich in dem Sessel bequem und sah ihnen mit funkelnden Augen nach.
    »Und jetzt zu Nightingale«, sagte Wexford auf der Treppe. »Ich habe bereits kurz mit ihm gesprochen, aber da habe ich noch nichts von seinen morgendlichen Waschungen gewußt. Er muß aus dem Arbeitszimmer herauskommen, Mike. Martin besorgt auf meine Anweisung hin gerade einen Durchsuchungsbefehl für das Haus.«

3
    Er besaß das, was Frauen ein »distinguiertes Aussehen« nennen. Sein Haar war silberweiß ohne eine einzige schwarze Strähne, und er trug einen kleinen silbergrauen Schnurrbart, der ihn wie einen Diplomaten oder hochrangigen Militär aussehen ließ. Obwohl er groß und von ebenso schlanker Gestalt wie Sean Lovell war, straffe Kinnmuskeln und eine faltenlose Haut besaß, wirkte er wegen dieses frühzeitigen Ergrauens nicht jünger als die fünfzig Jahre, die er zählte.
    Von einer hübschen Frau erwarten die Leute, daß sie entweder mit einem gutaussehenden oder mit einem reichen Mann verheiratet ist. Andernfalls erscheint ihnen die Ehe unerklärlich, und sie glauben, die Frau habe sich weggeworfen. Elizabeth Nightingale war ungewöhnlich hübsch gewesen, und ihr Witwer war ungewöhnlich reich und zudem noch gutaussehend genug, um ihrer Schönheit etwas entgegensetzen zu können. An diesem Morgen sah er mit seinem verhärmten und sorgenvollen Gesicht jedoch beinah häßlich aus.
    Es hatte einer gehörigen Portion Überredungskunst und schließlich entschiedener Beharrlichkeit bedurft, um Nightingale zu veranlassen, ihnen die Tür zum Arbeitszimmer zu öffnen, doch als Wexford nun drinnen war, löste sich sein Zorn in ungeduldiges Mitleid auf. Quentin Nightingale hatte geweint.
    »Bedaure, Sir, aber ich muß auch Sie wie alle anderen
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