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Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)

Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)

Titel: Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)
Autoren: Jeanette Winterson
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war die Sache beschlossen, und mit seinen rührigen Fingern und seiner Geschicklichkeit wurde Pew zum ersten Leuchtturmwärter am Cape Wrath.
    »Er war aber nicht blind, Pew, stimmt’s?«
    »Nein, das war er nicht, Kind, aber die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende.«
    »Und dann …«
    »Und dann, lange nachdem Josiah gestorben und kurz nachdem Babel tot war, traf wieder Besuch in Salts ein. Diesmal war es nicht Molly O’Rourke, sondern ihr erstes Kind, Susan Lux, das Kind, das von Geburt an blind war.
    Niemand weiß, warum sie kam – aber sie hat Salts nie wieder verlassen. Sie heiratete Pew, trotz des Altersunterschieds und ihrer ungleichen Herkunft – wo er doch ganz Naturbursche war und sie aus einem ordentlichen Haus kam, und wo er alt genug war, um ihr Vater zu sein, und sie jung genug, um all die Geschichten zu glauben, die er ihr erzählte. Sie hatte genauso geschickte Finger wie er, und bald waren seine Augen so milchig blau wie ihre. Mit zunehmendem Alter verlor er sein Augenlicht, aber das war für keinen von beiden ein Problem,feinfühlig wie Spinnen und mit Händen, die imstande waren, Spinnweben aufzuhängen.
    Ihr Kind war genauso. Und alle Pews seitdem. Einer oder viele, wie du willst. Pew, der blinde Leuchtturmwärter.«
    »Und ich?«
    »Was ist mit dir?«
    »Ich bin nicht blind.«
    »Du bist mit Sehkraft geschlagen, das stimmt.«
    »Aber wie soll ich dann das Feuer instand halten?«
    Pew lächelte und schob die Scheibe zurück in den engen Rahmen des Barometers.
    »Du darfst dich nie auf das verlassen, was du siehst. Nicht alles ist sichtbar.«
    Ich sah hinaus auf die Wellen und Schiffe und Vögel.
    »Und jetzt schließ die Augen«, sagte Pew, der genau wusste, was ich vorhatte. Ich schloss die Augen. Er nahm meine Hand, und seine Finger legten sich um mich wie ein Netz.
    »Was siehst du jetzt?«
    »Ich sehe, wie Babel Dark auf den Leuchtturm zukommt.«
    »Was siehst du noch?«
    »Ich sehe mich, aber ich sehe alt aus.«
    »Was siehst du noch?«
    »Ich sehe dich in einem blauen Boot, aber du siehst jung aus.«
    »Mach die Augen auf.«
    Ich schlug die Augen auf und sah Wellen und Schiffe und Vögel. Pew ließ meine Hand los.
    »Jetzt weißt du, was du zu tun hast.«

DIE HÜTTE

Dies ist eine Liebesgeschichte.
     
    Als ich mich in dich verliebte, lud ich dich zu mir in eine Hütte am Waldrand ein. Einsam auf weiter Flur, stand sie auf Stelzen über der Erde und wurde von Hand beleuchtet, so kam sie einem Leuchtturm am nächsten.
    Jeder Neuanfang bringt eine Wiederkehr mit sich.
    Du kamst mit dem Schiff, dem Flugzeug, dem Zug und dem Auto von Hydra. Als Ausgang deiner exotischen Reise hatten wir an einer Autowaschanlage in der Nähe des Bahnhofs unseren Treffpunkt vereinbart.
    Ich versuchte, alles für deine Ankunft vorzubereiten – ich stapelte Holz für den Ofen, kramte Kerzen hervor, bezog das Bett mit einem neu gekauften Laken, schälte Bohnen in einen Topf, breitete ein sauberes Tuch über das Steak, um es vor Fliegen zu schützen. Ich hatte ein altes Radio mitgenommen, denn am Abend lief
Tristan
, und ich wollte ihn mir mit dir zusammen anhören, während wir im Abendlicht Rotwein tranken.
    Ich war so früh bei unserem Treffpunkt, dass ich zweimal das Auto waschen musste, um nicht von dem misstrauischen Inder verscheucht zu werden. Vielleicht dachte er, ich sei ein Drogendealer; das Auto war silbern wie ich und ein bisschen angeberisch, und es lag auf der Hand, dass ich es mir ergaunert hatte. Ich versuchte, nett zu ihm zu sein, und kaufte mir ein Mars, doch er hockte stur hinter seinem Schreibtisch und verglichdie Preise in der Zeitung für Gebrauchtwagen, um zu sehen, was Verbrecher von heute so verdienen.
    Ich tigerte auf und ab wie die Leute in Kriminalfilmen. Wo warst du? Das Mini-Taxi, mit dem du vom Bahnhof kommen solltest, würde kein auffälliger Wagen sein. Jedes Auto, das langsamer wurde, um in den McDonald’s Drive-In einzubiegen, nahm ich genauestens unter die Lupe. Ich war wie ein Zollbeamter. Du warst Schmuggelware. Ich durfte in der Hütte sein. Du nicht.
    Als ich schließlich mein Auto so blank gewienert hatte, dass Signale aus dem All von der Haube abprallten, sah ich, wie ein brauner Rover langsam auf mich zufuhr. Du klettertest vom Rücksitz. Ich eilte zum Fahrer, um ihn zu bezahlen, und säte dabei Zehnpfundnoten aus wie Brotkrumen.
    Ich war zu schüchtern, um dich zu küssen.
     
    Unter dem Tonziegeldach war die Hütte aus rauen braunen Holzbrettern gezimmert,
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